Eng umkämpft - der Tag der 3:3 Schachfreunde Neukölln erwartungsgemäß im Mittelfeld

von am 24. September 2001 in ECC 2001, Europapokal

Eng umkämpft - der Tag der 3:3 Schachfreunde Neukölln erwartungsgemäß im Mittelfeld

Die Zeit der leichten Siege ist vorbei. Wahrscheinlich wird die von den Schach­freunden Neukölln erteilte Höchst­strafe gegen die Waliser das einzige 6:0 im Turnier bleiben. Nun treffen überwiegend gleich­starke Teams aufein­ander. Zwar konnten sich einige Mannschaften mit hohen Tages­siegen an die Spitze spielen - die Dänen von Helsinge Skakkclub fertigten die Norweger von SK Randaberg ebenso 5:1 ab, wie die Ungarn von Csuti Antal die Finnen von Joensuu Chess Club und die Israelis aus Beer Sheva das Prager Team von Holdia HD -, doch viele Begeg­nungen sind heißer umkämpft.

Erfreu­lichste Neuerung des Tages war die Ausquar­tierung von sechs Begeg­nungen in den ursprüng­lichen Analy­seraum, wodurch die Post-mortem-Betrach­tungen unter griechi­scher Sonne auf dem angren­zenden Balkan mit Seeblick statt­finden. Werder Bremen und die Schach­freunde Neukölln dürfen jedoch weiterhin im klima­ti­sierten Konfe­renzraum antreten. Die Hanse­städter hatten mit Merkur Graz eine harte Nuss zu knacken. Nach einem 2,5:2,5 um die fünfte Stunde treibt die Seeschlange zwischen Lars Schan­dorff, dem Dänen in Bremer Diensten, und Thomas Luther, dem Deutschen bei Graz, - trotz Bauern­minus - auf ein Remis zu. Rainer Knaak, der am Vortag mit zäher Vertei­digung eine schlechtere Stellung abklam­merte, vergab den Mannschaftssieg, da ihn mit Mehrqua­lität Stefan Kinder­manns Bauern­masse erdrückte.

Auch die fast legio­närlose Begegnung der Haupt­städter war intensiv umkämpft. Mit identi­schem Wertungs­zah­len­durch­schnitt war der Endstand von 3:3 gegen die fünf Israelis und einen Russen von Herzlia Chess Club exakt das erwartete Resultat. Der Weg dahin gestaltet sich aller­dings steinig - zumal an den ersten vier Brettern Großmeister mit Elo-Zahlen zwischen 2548 und 2443 sassen. Am Spitzen­brett stellte Stephan Berndt bereits in der Vorbe­reitung fest, dass Dov Zifroni mit Weiß alle gängigen Eröff­nungen solide spielt. Die entstandene englische Vertei­digung gefiel ihm aller­dings nicht recht. Nach dreieinhalb Stunden und 23 Zügen erhielt der Jura-Student die Geneh­migung, das Remis­an­gebot zu akzep­tieren.

An den anderen Brettern tobte derweil der Kampf und jede Partei konnte auch den Teamsieg hoffen. Rainer Polzin legte die selten gespielte Ungarische Partie auf Gedeih und Verderb im Gewinnsinn an. Zwar konnte Yakov Zilberman seinen Turm auf b2 platzieren, doch die weißen Leicht­fi­guren und die Dame orien­tierten sich - unter Preisgabe zweier Bauern - in Richtung König. Doch die Zeitnot ist in diesem Turnier bislang in den Duellen des Rechts­an­walts ständig präsent. Diesmal ging es nicht gut - Abtausch um Abtausch gewann das materielle Überge­wicht an Bedeutung. Nach der Zeitkon­trolle focht er einen verlo­renen Kampf.

Gut, dass wir an diesem Tag einen „neuen“ Dirk Poldauf in unseren Reihen hatten. Gegen den bekannten ex-sowje­ti­schen Jugend­trainer Avigdor Bykhovsky kam zwar eine Englische Partie zustande, aber nach der Qual von zwei Turmend­spielen schien ein „e4-Kampf­geist“ in den Schach­jour­na­listen gefahren zu sein. Grosse Rochade, Bauern­sturm am Königs­flügel, Postierung des Läufers via f1-h3-f5 gegen die kurze Rochade und Massierung der schwarzen Schwer­fi­guren in der c-Linie machten dem Russen das Leben schwer. In Zeitnot kombi­nierte der Schach­jour­nalist nach Belieben - sicher zu viel für Bykhovsky, der anschließend wortlos das Angebot zur Analyse ablehnte. Dirk schob jeden­falls bei unserem Stamm­griechen in Panormo die Steine locker über das Magnet­ta­schen­schach­brett.

Komplexer war da ein Turmend­spiel von Henrik Rudolf. Der Rostocker Fide-Meister war diesmal das Sorgenkind. Ein Caro-Kann-Panov endete in einem Endspiel mit allen Schwer­fi­guren, aller­dings bildete - wie so häufig - der Bauer c3 die Schwäche im weißen Lager. Es gelang zwar, im Turmend­spiel den weißen Bauer nach a7 zu bringen, doch die Bauern­ma­jo­rität am Königs­flügel ließ die Hoffnungen schwinden. Zwar reduzierte sich die Zahl der Bauern nach und nach, aber mit restlichen 2:1-Bauern sorgte der aktivere König für den vollen Punkt. Diese Partie endete zuletzt, als die Berliner bereits einen 3:2-Vorsprung erspielt hatten.

Die beiden Königindisch-Freaks, Martin Borriss und Lars Thiede, konnten sich aus anfäng­licher Umklam­merung befreien und kurvten mit den Figuren in den weißen Stellungen herum. Ideen­reich opferte Martin einen Bauern für die Initiative. Nach dem Rückgewinn gingen beide Parteien auf „Fressen“ aus. Leider reichte der einzig verbliebene Bauer im Endspiel mit Türmen und weißer Springer gegen schwarzer Läufer nicht aus, mehr als ein Remis zu sichern. Da war es wichtig, dass Lars nach mindestens vier schwachen Zügen seines Gegners auf den schwarzen Einbruchs­feldern dominierte. Mit über 100 Elo-Punkteplus scheuchte er den König des einzigen Titel­losen im israe­li­schen Team quer über das Brett - Figuren­spiel ganz nach Laune des Königs­inders. In der Analyse stellte sich heraus, dass der Gegner die Systeme unseres Brett fünf zwar gut studiert hatte, aber im Mittel­spiel riss dann der Faden. Am Ende des Tages dürfte das 3:3 ein gerechter Ausgang gewesen sein. Die Neuköllner stehen derzeit im Mittelfeld - genau da, wo sie in der Wertungs­ta­belle gesetzt sind. Mit Cercle des Echecs Gambit Bonnevoie aus Luxemburg wartet in Runde vier ein schlag­barer Gegner.

An der Spitze sind nur noch zwei Mannschaften ohne Punkt­verlust: Bosna Sarajevo und Norilsky Nikel. Letztere landete im Duell der Elo-Schwer­ge­wichte mit einem Mannschafts­durch­schnitt von über 2600 bereits einen „big point“, da sie Polonia Warschau mit 4,5:1,5 in die Schranken verwiesen. Das Unheil nahm seinen Lauf, als Alexander Grischuk Jewgeni Barejew in nur zwei Stunden abfer­tigte. Die anderen beiden russi­schen Mitfa­vo­riten stolperten beide. St. Petersburg erreichte nur ein 3:3 gegen das urkrai­nische Donbass, da Viktor Kortschnoi gegen Gregori Timoschenko unterlag und Peter Swidler erneut nur ein Remis schaffte. Vielleicht war es ein Fehler, Alexander Chalifman erneut zu schonen. Gavozik trennte sich vom bosni­schen Vertreter Kiseljak ebenfalls unent­schieden: Viktor Bologan zog dabei am Spitzen­brett gegen Zurab Azmai­pa­rashvili den kürzeren. Das Motto der nächsten vier Tag steht fest: Kämpfen, kämpfen, kämpfen.

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