Wut im Bauch

von am 25. Februar 2018 in Berichte zur 1. Bundesliga

Wut im Bauch
Marco und Alexander bei der Nachbetrachtung des Meisterwerks

In der Sonntags-Runde geht es wieder darum, seine Haut so teuer wie möglich zu verkaufen. Man will doch nicht unver­rich­teter Dinge wieder nach Hause fahren! Die Gegner sind aller­dings auch heute deutlich ELO-übermächtig. Im Schnitt trifft Jung auf Alt, Amateur auf Profi. Aber der Anfang ist schon mal klasse, denn:

Nach zwei Stunden stehen alle Schach­freunde in etwa gleich oder besser und passen heute offenbar auch besser auf die Uhr auf als gestern. Martin spielt gegen Peter Leko, zwischen 2000 und 2010 Top-10-Spieler, Theore­tiker und Anand-Sekundant im WM-Match gegen Magnus Carlsen 2013. Die Partie scheint völlig offen. Martin hat zudem 20 min mehr Zeit und mir gefällt seine Stellung mit dem Raumvorteil am Damen­flügel sogar etwas besser als die weiße Stellung nach dem etwas defensiv anmutenden 15. Lf1.

Jan spielt gegen den Franzö­sisch-Auskenner Georg Meier eine franzö­sische Partie, und ich finde, er steht besser. Seinen in dieser Variante typischen Eröff­nungs­vorteil hat er konser­vieren können, und nun geht es darum, druck­volles Spiel am Königs­flügel aufzu­ziehen, ehe Schwarz das Problem seines weißfeld­rigen Läufers lösen kann.

Auch Peter spielt gegen eine Legende, gegen einen der Top-Spieler der 2000er Jahre und Theore­tiker, Michal Krasenkow. Die Partie wirkt ausge­glichen, der struk­tu­relle weiße Vorteil ist wohl eher gering. Das sieht nach einer langfris­tigen Aufgabe für Peter, aber auch für seinen Gegner, aus. Weiß wird auf Gewinn spielen und muss zeigen, was in dieser unbalan­cierten Stellung steckt.

Marco steht völlig OK, Dennes mit Schwarz nach der h-Bauern-Eskapade seines Gegners Zdenko Kozul, Europa­meister 2006, auch. Anmerkung für Kinder: h4 und h5 bitte nicht nachmachen. Das sind keine empfeh­lens­werten Eröff­nungzüge für Anfänger. (Es muss etwas dahin­ter­stecken, aber was? Dennes hat sich nicht beein­drucken lassen, natür­liche Züge gemacht und steht nun einfach gut und sicher.)

Alexander steht dauerhaft besser und hat noch dazu sehr viel mehr Zeit auf der Uhr als sein Gegner Alexander Graf. Arnd hat mit dem Wolga-Gambit gegen den starken Junior Vincent Keymer offenbar ins Schwarze getroffen und scheint nun im Mittel­spiel nach 15. ... Sfxd5 völligen Ausgleich erzielt zu haben.

Lars steht als Weißer etwas gedrückt gegen Rustem Dautov, aber Gefahren sind konkret nicht in Sicht.

Jan remisiert, nachdem er taktisch etwas versucht hatte (16. Sf5), was aber Schwarz vor nicht allzu große Probleme stellte. Auch Marco trägt einen sicheren halben Punkt bei. Und die anderen stehen alle OK, Alexander und Arnd sogar immer besser!

Zwischen­zeitlich habe ich mal meine Datenbank zur Partie Kozul-Abel befragt und siehe da: Es gibt 38 Vorgänger-Partien mit 8. h4. Vielleicht setzt ja Weiß auf den Überra­schungs­effekt?

Alexander Seyb spielt eine Glanz­partie! 15. b4! Ich wette eine Portion Falafel auf diese Stellung (draußen scheint die Sonne, die Schrei­berin hat Hunger, kann sich aber von den super­span­nenden Partien nicht trennen). Schwarz ist ernsthaft in Bedrängnis. Wohin mit der Dame? Wohin rochieren? Was wird aus dem Lb7? Zu viele Probleme zu lösen, und das mit nur noch 8 min Restbe­denkzeit für 25 Züge.

Auch Arnd steht nach der vermutlich falschen Entscheidung seines Gegners, mit ungleichem Material (T+T+L+S und einem Mehrbauern gegen D+T+L) zu spielen, klar besser, weil die vielen weißen „Klein­fi­guren“ nicht richtig zusam­men­ar­beiten. Steuern die Schach­freunde auf eine Sensation zu?

Noch ein Remis an Brett 8 - herzlichen Glück­wunsch, Lars! Und Alexander gewinnt tatsächlich, und wie! Was für ein Feuerwerk der Leicht­fi­guren, und dann der Schlusszug: 21. Ld6!! Die Schach­freunde gehen mit 2½ : 1½ in Führung. Irgendwie erinnert mich Euer Spiel an das der deutschen Eishockey-Natio­nal­mann­schaft bei den gerade zuende gegan­genen Olympi­schen Spielen.

Arnd hat mit kompro­miss­losen Zügen seinem Gegner weiteres Material abgenommen und spielt nun bei Ideal­auf­stellung mit Dame und Läufer gegen zwei unkoor­di­nierte Türme und Mehrbauer. Hier sollte nichts mehr anbrennen.

Ein wichtiges, ungefähr­detes Remis bei Dennes und wenigstens steht somit ein Unent­schieden in diesem Mannschafts­kampf fest, wenn man einen vollen Punkt bei Arnd einplant. Peter hat gegen Krasenkow schwer zu tun, aber das Endspiel mit 6 Schwer­fi­guren auf dem Brett und Bauern nur am Königs­flügel sieht noch haltbar aus.

Martin remisierte auch (laut Engine scheint die Stellung gerade zu seinen Gunsten zu kippen, beide Gegner spielten nur noch auf Ihrem Inkrement) und damit steht der Sieg der Schach­freunde bei zwei noch laufenden Partien fast fest!

Arnd löste die Knobe­laufgabe und Peter hielt wacker durch - heute hat einfach alles gestimmt. Verlustfrei und ungefährdet gegen Deizisau - wer hätte das gedacht? Herzlichen Glück­wunsch an alle zu dieser tollen Mannschafts­leistung!

Schachfreunde Berlin 5 : 3    Schachfreunde Deizisau

Krämer, Martin          ½ : ½    Leko, Peter
Dr. Sprenger, Jan       ½ : ½    Meier, Georg
Schreiner, Peter        ½ : ½    Krasenkow, Michal
Baldauf, Marco          ½ : ½    Heimann, Andreas
Abel, Dennes            ½ : ½    Kozul, Zdenko
Seyb, Alexander         1 : 0    Graf, Alexander
Lauber, Arnd            1 : 0    Keymer, Vincent
Thiede, Lars            ½ : ½    Dautov, Rustem

Alle Partien können hier nachge­spielt werden:
http://schachbundesliga.de/liveportal

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