Pool-Varianten in Reserve - Schachfreunde Neukölln tasten sich zur Europäischen Mannschaftsmeisterschaft auf Kreta vor

von am 21. September 2001 in ECC 2001, Europapokal

Pool-Varianten in Reserve - Schachfreunde Neukölln tasten sich zur Europäischen Mannschaftsmeisterschaft auf Kreta vor

Schach und Sonne - diese tolle Kombi­nation bietet sich unmit­telbar vor dem Bundes­li­ga­start am ersten Oktober­wo­chenende zwei deutschen Mannschaften, die sich entschlossen haben, an der Europäi­schen Mannschafts­meis­ter­schaft vom 23. bis 29. September in Panormo teilzu­nehmen. War dieser Wettbewerb früher mit Vorrunden und Finale eine mühselige Angele­genheit, so wird jetzt eine zentrale Runde gespielt. Nach der Veran­staltung in Neum in Bosnien-Herzi­gowina im letzten Jahr fand sich heuer auf Kreta ein attrak­tiver Spielort.

Da keines der deutschen Top-Teams bereit war, eine Sechser-Truppe zu schicken, ergriffen Werder Bremen und die Schach­freunde Neukölln die Gelegenheit beim Schopf. Während die Hanse­städter mit ihrem stärksten Team anreisen werden, fand sich bei den Berlinern eine Mannschaft ohne Legionäre zusammen. Paritä­tisch mit drei „Ossis“ und drei „Wessis“ besetzt geht es vorrangig darum, Spiel­freude für den natio­nalen Wettbewerb zu tanken. Mit Platz 24 von 39 Teams auf der vorläu­figen Melde­liste liegen die Haupt­städter damit voll im Trend. Nur ein Fünftel der Mannschaften hat drei oder mehr Spieler anderer Natio­na­li­täten aufge­stellt. Werder Bremen zählt mit den beiden Tschechen, Zbynek Hracek und Vlastimil Babula, dem Dänen Lars Schan­dorff und dem Schweizer Yannik Pelletier an den vier Spitzen­brettern zu jener Kategorie. Komplet­tiert wird die Schach­ab­teilung des Fußball­clubs durch Rainer Knaak, Sven Joachim und Gerlef Meins. Mit Platz neun auf der Setzliste voran­ge­mel­deter Teams werden sie zur erwei­terten Spitze gerechnet.

Ganz vorne ragen fünf Mannschaften mit einem Mannschafts­wer­tungs­durch­schnitt von über 2600 Elo-Punkten heraus. Titel­ver­tei­diger Bosna Sarajevo (2657), St. Petersburg (2639), die beiden russi­schen Vertreter von Gazovik (2632) und Novilsky Nikel (2629) sowie Polonia Warschau (2626) zählen zu den heißesten Anwärtern auf den Titel. Auf den polni­schen Meister könnten die Neuköllner zum Auftakt treffen. Gegen die angekün­digte Großmeis­ter­riege mit Wassili Iwant­schuk, Jewgeni Barejew, Eduardas Rosen­talis, Bartho­lomiej Macieja, Michal Krasenkow, Bartosz Socko, Jacek Gdanski und Pawel Blehm wird es dann zu Beginn der sieben Runden nach Schweizer System eines jener ungleichen Duelle geben.

Einziger Bonus könnte der Faktor Akkli­ma­ti­sation sein. Vier Spieler, Rainer Polzin, Martin Borris, Lars Thiede und Henrik Rudolf, sowie Mannschafts­ka­pitän und Bericht­erstatter Harald Fietz befinden sich bereits seit Montag, dem 17. September, vor Ort in dem idylli­schen Fischer­dörfchen Panormo (50 Kilometer westlich von Heraklion). Stephan Berndt und Dirk Poldauf sowie Ehren­vor­sit­zender Rainer Dambach vervoll­stän­digen den deutschen Außen­seiter kurz vor Turnier­beginn. Die Vorhut frönt jedoch nicht nur Urlaubs­freuden, sondern ersann bereits eine ausge­klü­gelte Turnier­vor­be­reitung - die sich wesentlich nach dem Sonnen­stand ausrichtet! Wenn die Einstrahlung am inten­sivsten ist, wird am Hotelpool stundenlang die „Eröffnung des Tages“ analy­siert und zu mitter­nächt­licher Stunde - nach schmack­haften Gaumen­freunden in den lokalen Tavernen - folgt das „Ausspielen“ der Neuerungen im Dreimi­nu­ten­blitz. Beim Frühstück unter Palmen bilan­ziert man dann mehr oder weniger nüchtern den Status Quo, um anschließend die neue Analyse-Parole auszu­geben.

Glücklicher ergab sich am ersten Tag zur Modernen Vertei­digung eine Frakti­ons­bildung. Die Schwarz­ex­perten Polzin und Thiede sorgten bei der Weißfront Borris und Rudolf für allerlei Frust. Da jedoch Laptop-bestückte Bundes­li­ga­spieler gewöhnt sind, Daten­banken und den elektro­ni­schen Freund zu befragen, wird die abschlie­ßende Bewertung noch eine Weile auf sich warten lassen. Jeden­falls wirft noch keiner die Flinte ins Korn. Für Mittwoch, den 19. September, steht Königs­in­disch auf dem Programm; am Donnerstag zur Abwechslung die Altstadt von Chania. Auch dort werden sich die Kellner daran gewöhnen, fünf Deutsche über ein kleines Magnet­ta­schen­schach gebeugt zu sehen. Gyros und Bauern werden von den Nimmer­müden gleich­zeitig verspeist.

Am Samstag­abend findet das Treffen der Kapitäne statt. Danach wird feststehen, auf wen die Vorbe­reitung für die Sonntags­runde ausge­richtet wird. Dann kann sich bereits zeigen, ob im Panormo Beach Hotel eine Pool-Variante geboren wurde.


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