Anand gegen Carlsen - Ein persönlicher Vorbericht

von am 3. November 2013 in Nachrichten

Anand gegen Carlsen - Ein persönlicher Vorbericht
Magnus Carlsen im Willy-Brandt-Haus.

Beim ECC auf Kreta im Herbst 2003 war uns ein junger norwe­gi­scher Spieler aufge­fallen, den wir sodann für die Saison 2004/2005 für unser Bundes­li­gateam verpflichtet hatten. Nun war es soweit. Magnus war an einem wunder­baren Frühlingstag in Berlin gelandet, begleitet von seiner Mutter. Es ist Freitag, das Team traf sich wie immer in einem Restaurant in der Harden­berg­straße zur Einstimmung auf das Bundesliga-Wochenende. Vorher hatte ich ihm noch die Reste der Berliner Mauer, die East Side Gallery gezeigt, seine Geschichts­leh­rerin hatte ihm einen Besuch aufge­tragen. Es wird deutsch gesprochen, Magnus beherrschte unsere Sprache schon damals gut.

Lange Zeit geht es um Schach, aber irgendwann kommen wir auf das Thema Fußball zu sprechen. Schließlich hatten wir mit Dirk Poldauf und Henrik Rudolf zumindest zwei „Fußball­ver­rückte“ dabei. Aber schon bald waren alle verblüfft: Magnus weiß einfach alles aus den Ligen in Spanien, Frank­reich, England und Deutschland. Und wie seine Mutter irgendwann süffisant anmerkt: „Magnus, vergiss Dänemark nicht!“ Ich hatte jeden­falls eine Sache verstanden, die ihn auszeichnet: Er verfügt über ein phäno­me­nales Gedächtnis.

Das Wochenende im Willy-Brandt-Haus war eines der schönsten in den vielen Jahren Bundesliga. Die Saison neigte sich dem Ende entgegen, und es mussten nach mäßigem Saison­verlauf möglichst ein paar Punkte her, um den Abstieg sicher zu vermeiden. Watten­scheid und Solingen waren nicht so stark wie heute, aber gehörten gewiss auch nicht zu den schwachen Teams. In Berlin sind wir ohnehin verwöhnt mit vielen fachkun­digen Zuschauern, aber in der SPD-Zentrale war es besonders voll.

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Sigi Prix (Dritter von links) ist einer von denen, die in Berlin immer zuschauen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Was mich vollkommen faszi­nierte: Wie Magnus die Bretter abschritt. Er startete an Brett 2, blieb ein paar Sekunden stehen, ging weiter zum nächsten. Später wusste er bestens über den Verlauf der Partien Bescheid. Welch eine Auffas­sungsgabe bereits in jungen Jahren! Sportlich lief es nicht perfekt für ihn. Er verlor am Samstag gegen Peter-Heine Nielsen einen spannenden Grünfeld-Inder, am Sonntag spielte er Remis gegen Predrag Nikolic.

Die Wettkämpfe boten Kampf­schach pur. Ohne 30-Sekunden-Bonus gab es ein paar heiße Zeitnot­phasen. Am Samstag fieberten die Zuschauer noch lange bei einem studi­en­ar­tigen Endspiel Rudolf-Sträter mit, irgendwann war es matt, am Sonntag brachte Stephan Berndt auf unnach­ahm­liche Art seinen Sizi-Aufschlag gegen Smeets durch. Die sport­lichen Ziele wurden erreicht, Watten­scheid schlugen wir mit 5-3, gegen Solingen gab es ein 4-4. Die Klasse war, wieder einmal, gesichert. Unser Reise­partner SC Kreuzberg trug mit zwei ebenfalls hochspan­nenden Matches seinen Teil zu einem schönen Schach­wo­chenende bei.

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Magnus Carlsen - Peter Heine Nielsen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Am Sonntag saßen wir noch lange bei einem meiner Stammita­liener in Kreuzberg, dem Primavera, zusammen. Igor Nataf, ein franzö­si­scher Spaßvogel, der einige Jahre für uns spielte und lange Zeit die „Leertaste“ für Teimour Radjabov betätigte, disku­tierte mit Magnus über Eröff­nungen. Über alle Eröff­nungen. Als es um Sizilia­nisch ging wurde ich auch einmal kurz gefragt. Am kommenden Samstag werde ich im Primavera mit einem Smart­phone bewaffnet Partie Nr. 1 verfolgen.

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Nataf kiebitzt bei Carlsen

Magnus spielte leider nur diese beiden Wettkämpfe für uns. Wettkämpfe, die ich nie vergessen werde.

Mit seinem Kontra­henten, Vishy Anand, verbinde ich ebenfalls eine wunderbare Erinnerung, die ich bereits vor einigen Monaten auf dieser Seite festge­halten habe.

Beide Protago­nisten sind grandiose Schach­spieler. Ich freue mich auf ein tolles Match, in dem ich Magnus fest die Daumen drücke.

Fotos von Fernando Offermann (Artikel im Tages­spiegel vom 14. März 2005).

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