Wut im Bauch
In der Sonntags-Runde geht es wieder darum, seine Haut so teuer wie möglich zu verkaufen. Man will doch nicht unverrichteter Dinge wieder nach Hause fahren! Die Gegner sind allerdings auch heute deutlich ELO-übermächtig. Im Schnitt trifft Jung auf Alt, Amateur auf Profi. Aber der Anfang ist schon mal klasse, denn:
Nach zwei Stunden stehen alle Schachfreunde in etwa gleich oder besser und passen heute offenbar auch besser auf die Uhr auf als gestern. Martin spielt gegen Peter Leko, zwischen 2000 und 2010 Top-10-Spieler, Theoretiker und Anand-Sekundant im WM-Match gegen Magnus Carlsen 2013. Die Partie scheint völlig offen. Martin hat zudem 20 min mehr Zeit und mir gefällt seine Stellung mit dem Raumvorteil am Damenflügel sogar etwas besser als die weiße Stellung nach dem etwas defensiv anmutenden 15. Lf1.
Jan spielt gegen den Französisch-Auskenner Georg Meier eine französische Partie, und ich finde, er steht besser. Seinen in dieser Variante typischen Eröffnungsvorteil hat er konservieren können, und nun geht es darum, druckvolles Spiel am Königsflügel aufzuziehen, ehe Schwarz das Problem seines weißfeldrigen Läufers lösen kann.
Auch Peter spielt gegen eine Legende, gegen einen der Top-Spieler der 2000er Jahre und Theoretiker, Michal Krasenkow. Die Partie wirkt ausgeglichen, der strukturelle weiße Vorteil ist wohl eher gering. Das sieht nach einer langfristigen Aufgabe für Peter, aber auch für seinen Gegner, aus. Weiß wird auf Gewinn spielen und muss zeigen, was in dieser unbalancierten Stellung steckt.
Marco steht völlig OK, Dennes mit Schwarz nach der h-Bauern-Eskapade seines Gegners Zdenko Kozul, Europameister 2006, auch. Anmerkung für Kinder: h4 und h5 bitte nicht nachmachen. Das sind keine empfehlenswerten Eröffnungzüge für Anfänger. (Es muss etwas dahinterstecken, aber was? Dennes hat sich nicht beeindrucken lassen, natürliche Züge gemacht und steht nun einfach gut und sicher.)
Alexander steht dauerhaft besser und hat noch dazu sehr viel mehr Zeit auf der Uhr als sein Gegner Alexander Graf. Arnd hat mit dem Wolga-Gambit gegen den starken Junior Vincent Keymer offenbar ins Schwarze getroffen und scheint nun im Mittelspiel nach 15. ... Sfxd5 völligen Ausgleich erzielt zu haben.
Lars steht als Weißer etwas gedrückt gegen Rustem Dautov, aber Gefahren sind konkret nicht in Sicht.
Jan remisiert, nachdem er taktisch etwas versucht hatte (16. Sf5), was aber Schwarz vor nicht allzu große Probleme stellte. Auch Marco trägt einen sicheren halben Punkt bei. Und die anderen stehen alle OK, Alexander und Arnd sogar immer besser!
Zwischenzeitlich habe ich mal meine Datenbank zur Partie Kozul-Abel befragt und siehe da: Es gibt 38 Vorgänger-Partien mit 8. h4. Vielleicht setzt ja Weiß auf den Überraschungseffekt?
Alexander Seyb spielt eine Glanzpartie! 15. b4! Ich wette eine Portion Falafel auf diese Stellung (draußen scheint die Sonne, die Schreiberin hat Hunger, kann sich aber von den superspannenden Partien nicht trennen). Schwarz ist ernsthaft in Bedrängnis. Wohin mit der Dame? Wohin rochieren? Was wird aus dem Lb7? Zu viele Probleme zu lösen, und das mit nur noch 8 min Restbedenkzeit für 25 Züge.
Auch Arnd steht nach der vermutlich falschen Entscheidung seines Gegners, mit ungleichem Material (T+T+L+S und einem Mehrbauern gegen D+T+L) zu spielen, klar besser, weil die vielen weißen „Kleinfiguren“ nicht richtig zusammenarbeiten. Steuern die Schachfreunde auf eine Sensation zu?
Noch ein Remis an Brett 8 - herzlichen Glückwunsch, Lars! Und Alexander gewinnt tatsächlich, und wie! Was für ein Feuerwerk der Leichtfiguren, und dann der Schlusszug: 21. Ld6!! Die Schachfreunde gehen mit 2½ : 1½ in Führung. Irgendwie erinnert mich Euer Spiel an das der deutschen Eishockey-Nationalmannschaft bei den gerade zuende gegangenen Olympischen Spielen.
Arnd hat mit kompromisslosen Zügen seinem Gegner weiteres Material abgenommen und spielt nun bei Idealaufstellung mit Dame und Läufer gegen zwei unkoordinierte Türme und Mehrbauer. Hier sollte nichts mehr anbrennen.
Ein wichtiges, ungefährdetes Remis bei Dennes und wenigstens steht somit ein Unentschieden in diesem Mannschaftskampf fest, wenn man einen vollen Punkt bei Arnd einplant. Peter hat gegen Krasenkow schwer zu tun, aber das Endspiel mit 6 Schwerfiguren auf dem Brett und Bauern nur am Königsflügel sieht noch haltbar aus.
Martin remisierte auch (laut Engine scheint die Stellung gerade zu seinen Gunsten zu kippen, beide Gegner spielten nur noch auf Ihrem Inkrement) und damit steht der Sieg der Schachfreunde bei zwei noch laufenden Partien fast fest!
Arnd löste die Knobelaufgabe und Peter hielt wacker durch - heute hat einfach alles gestimmt. Verlustfrei und ungefährdet gegen Deizisau - wer hätte das gedacht? Herzlichen Glückwunsch an alle zu dieser tollen Mannschaftsleistung!
Schachfreunde Berlin 5 : 3 Schachfreunde Deizisau Krämer, Martin ½ : ½ Leko, Peter Dr. Sprenger, Jan ½ : ½ Meier, Georg Schreiner, Peter ½ : ½ Krasenkow, Michal Baldauf, Marco ½ : ½ Heimann, Andreas Abel, Dennes ½ : ½ Kozul, Zdenko Seyb, Alexander 1 : 0 Graf, Alexander Lauber, Arnd 1 : 0 Keymer, Vincent Thiede, Lars ½ : ½ Dautov, Rustem
Alle Partien können hier nachgespielt werden:
http://schachbundesliga.de/liveportal
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