Verpatzte Siege - siegreiche Niederlagen (Lösungen)

von am 13. April 2015 in Planet Schach

Das Quali­fi­ka­ti­ons­turnier 2015 ist beendet. Aus Sicht der Schach­freunde ist es ganz gut verlaufen. Martin und Felix haben die M-Klasse gehalten. Erwin und Peter mit 6 ½ die A-Klasse erreicht. Ich selbst bin letztlich bei 6 Punkten gelandet und habe während dieser 9 Runden einige Irrungen, Wirrungen und Kurio­si­täten erlebt, die ich Euch gerne präsen­tieren möchte.

In der ersten Runde spielte ich eine dominante Partie gegen Jessica Reck. Diese Partie hatte ich innerlich schon als gewonnen abgehakt, als sie mich mit einem Damen­konter überraschte. Sie setzte meine Königs­stellung so stark unter Druck,.dass ich die Gewinn­pfade verließ und bei konse­quentem Spiel sogar mit einem Bauern weniger da gestanden hätte. Was hätte ich in der folgenden Stellung ziehen sollen, damit ich meinen Vorteil behalte? Mein Zug Lf2 führt jeden­falls nur zum Remis.


Lösung: Ein wahrhaft verpatzter Sieg für mich. Ich muss natürlich 30.Lc1 spielen. Und Jessica Recks 32....Ld4+ ist infolge von Euphorie geschehen. Sie hatte wohl gesehen, dass sie mich am Haken hat und fiel nach 32. Dd4+ aus allen Wolken und gab sofort auf.

Hans Jürgen Körlin hieß mein Gegner in der 2. Runde. Vor 15 Jahren hatte ich ihn nach 6 Zügen am Haken. Diesmal habe ich in der Eröffnung zu schnell gespielt und die Eröff­nungszüge 8 und 9 in der falschen Reihen­folge gespielt. Das Ergebnis war ein verdienter Sieg für meinen Gegner. Aber seht selbst:


Lösung: In meinem Kopf steckte eigentlich folgende Beispiel­partie. Doch manchmal hilft eigenes Nachdenken und Überprüfung der Erinnerung anhand einer konkreten Stellung eben weiter.

Jochen Hamel hieß mein Gegner der 3. Runde. Er entschloss sich als Schwarzer für ein geschlos­senes Zentrum mit der Bauern­struktur c4/c5, d5/d6, e4/e5. Es war ein langwie­riges Lavieren angesagt. Da mein Gegner es vorzog lediglich zu klammern, konnte ich meine Figuren optimal aufstellen und sogar einen Springer opfern, um folgende Gewinn­stellung zu erreichen. Welchen Schwer­fi­gu­renzug muss ich zum Gewinn ausführen. Df4 oder Tc3?


Lösung: Auch hier ist wieder ein verpatzter Sieg das Thema. Ich ziehe falsch Df4. Ich habe völlig übersehen, dass nach dem schwarzen Zug f:e6 die f-Linie frei ist und der Springer mit der schwarzen Dame von f8 aus gedeckt werden kann. Doch schierer Fatalismus ließ meinen Gegner zu dem Zug S:g3 verleiten, was natürlich schnell verliert.

Gegen Florian Suhr hatte ich unten stehende Stellung als Schwarzer erreicht. Mein Schach­gefühl gab mir den richtigen Zug vor, der mir Vorteil sicherte und letztlich auch den Sieg verschaffte. Welchen Zug habe ich gespielt?

Lösung: Wenn ein König dazu degra­diert ist, einen Bauern zu decken und seine Figuren ihm obendrein nur die Felder versperren, dann ist in seinem Staat etwas nicht in Ordnung. Daher von mir der Zug S:e3.

Marc Seefeld ist Mitglied bei Läufer Reini­ckendorf. Ein Verein, der seine Spiel­stätte unmit­telbar vor meiner Haustür hat. Ich habe aber keinen Grund den Schach­freunden deshalb untreu zu werden. Die Partie hatte schnell ein ausge­gli­chenes Fahrwasser erreicht. Mein Spielplan war es, meinem Gegner einen isolierten Bauern zu verschaffen, die Damen zu tauschen, das Läuferpaar zu behalten und bei Gelegenheit seinen Isolani zu gewinnen und damit letztlich die Partie. Soweit die Theorie. In der Praxis schlage ich mit meinem Läufer seinen Bauern auf d3 und gebe danach sofort auf. Welche Abwicklung habe ich gesehen, was habe ich übersehen und was hätte ich statt­dessen besser gespielt? Und ist der Bauer nach dem richtigen Zug wirklich einfach so zu schlagen und zu gewinnen?


Lösung: Als ich L:d3 spielte, habe ich übersehen, dass auch der schwarze Springer meinen Läufer schlagen kann und nicht nur der Turm. An das nahelie­gende Tbd1 habe ich erst nach meiner sofor­tigen Aufgabe gedacht. Aber auch hier muss man als Weißer noch vorsichtig sein. Der schwarze Bauer ist keines­falls so ohne Weiteres zu gewinnen. Seht selbst:

Runde 6 : Ashur Lalaev. Zur Partie ist nicht viel zu sagen. Schließlich kam für mich als Schwarz­spieler folgende Stellung heraus. Kann ich die noch verlieren?! Yes I can. Aber auf das Wie werdet ihr nie kommen.(Weiß zog übrigens seinen Turm nach f1). Eurer Fantasie - auch anekdo­ti­scher Art - hinsichtlich eines möglichen Verlustes sind keine Grenzen gesetzt. Schreibt doch mal, was so alles passieren könnte. Um es vorweg zu nehmen: Die Partie habe ich gewonnen, aber zu Hause habe ich noch sehr über mich gelacht.


Lösung: Auf dem Brett ist nur noch passiert, was ihr euch unten ansehen könnt. Verloren hätte ich die Partie in folgender Weise: Ich kam von der Toilette und beim Gang zu meinem Brett bemerkte ich, dass mein Schnür­senkel am Schuh sich geöffnet hatte. Ich setzte mich auf meinen Stuhl und beim Zubinden merke ich, wie sich durch den Druck des Herun­ter­beugens mein Handy in der Hosen­tasche mit Vibration anschaltet. Da ich aber kein Smart­phone mit Turbo­pro­zessor besitze, benötigt es einige Zeit bis es sich durch einen Jingle bemerkbar macht und telefon­bereit ist. Ich verlasse also mehr oder weniger flucht­artig mein Brett. Die Geräusch­ku­lisse im Spielsaal führte letztlich dazu, dass dieses Anschalten meines Handys nicht bemerkt wurde. So kann man also verlieren, wenn man sich die Schuhe zubindet. *gg

In Runde 7 hatte ich wieder Weiß und saß dem jungen und kleinen, aber sehr guten Dennie Shoipov gegenüber. Mir ging es in der ersten Stunde der Partie körperlich recht schlecht, da ich zu Hause Kaffee und Kuchen gegessen hatte. Ein starker Sodbrenn­schmerz quälte mich in der ersten Stunde so stark, dass ich eigentlich aufgeben wollte. Mir gingen die Züge aber zügig auf´s Brett, so dass ich schnell einen sehr großen, knapp einstün­digen Zeitvor­sprung heraus­ge­spielt hatte und ich Zeit gewann mich zu erholen. Mit einem Bauern­opfer oder auch zweien habe ich auf Angriff gespielt und schließlich unten abgebildete Diagramm­stellung erzielt. Mein Bauch­gefühl sagte mir, dass mein Turm auf g7 unbedingt auf der 7. Reihe bleiben muss. Dort bleibt jedoch nur das Feld b7 und was mache ich nach Dc8? Meinen Turm von b7 nach a7 ziehen und dann abtau­schen? Das erschien mir zu wenig und ich zog ihn nach g3, um einige Züge später in eine Verlust­stellung zu laufen. Welche wunderbare Doppel­kom­bi­nation habe ich nach Tb7 und Dc8 übersehen? Sie sichert mir nicht den Gewinn, aber ich verliere danach die Partie nicht mehr. Überlegt bitte von der Ausgangs­stellung aus!


Lösung: Manchmal ist Taktik die Lösung für ein Stellungs­problem. So beispielhaft in diesem Fall. Seht selbst:

Gegen Johannes Stöckel in Runde 8 hatte ich die leich­teste Partie des Turniers. In der Eröffnung machte er bereits einen Fehler. Durch welchen leicht zu sehenden Weiß-Zug beginnt sein verzwei­felter Kampf (1. Diagramm) und welcher (2. Diagramm) leicht zu sehender Weiß-Zug besiegelt sein Ende?


Lösung: Der Schwarzzug a6 ist natürlich ein Bock. Darauf folgt natürlich, was folgte:


Lösung: Die deckende Springer wird mit dem Turm einfach rausge­schlagen. Dieser deckt gleich­zeitig die weiße Dame und 1:0.

Die letzte Runde gegen Torsten Miowitz war für mich die schwerste und auch drama­tischste Partie des Turniers. Sie fing für mich schon ungefähr 2 Stunden vor Spiel­beginn an, da ich mich nicht entscheiden konnte, was ich als Schwarzer spielen soll. Ich entschied mich, alles auf den Partie­anfang zu verlegen und heraus kam kein Königs­in­disch, sondern ein Königs­in­disch-Versuch. Selten habe ich mich nach einer Eröff­nungswahl so unwohl und hilflos gefühlt wie in dieser Partie. Ich hatte mich damit abgefunden in einer passiven, vertei­di­genden Haltung zu verharren und irgendwann den Todesstoß zu bekommen. Um es auf den Punkt zu bringen: “Hätte ich gegen mich gespielt, hätte ich gewonnen.“ Mein Bestreben war, es meinem Gegner so schwer wie möglich zu machen und durch Abtausche mir etwas Erleich­terung zu verschaffen. Die Abtausche kamen, aber dennoch blieb es für mich schwierig und erst mit dem eigent­lichen Start in´s Endspiel mit einem Minus­bauern, konnte ich ein aktives Gegen­spiel aufziehen. Mein Gegner, der die ganze Partie über in der Vorhand war, war mit dieser neuen Situation offenbar so überfordert, dass er letztlich einen riesigen Bock schoss. Welchen Zug muss Weiß machen, damit er Remis hält?


Lösung: Weiß hat völlig den Faden verloren. Er verwan­delte eine gewonnene Partie über eine Remisstellung in einen Verlust. Dies ist eine Partie, die ich als „siegreiche Niederlage“ für mich bezeichne. „f4“ und dann ein paar Königszüge ist die Remis­ab­wicklung. Statt­dessen wird ein riesen Bock geschossen.

Das waren meine Partien des Quali­fi­ka­ti­ons­tur­niers 2015. Ich freue mich über die Erfolge der Schach­freunde, vergesse aber auch Alper, Siegfried, Johannes und Roman nicht. Ich denke, wir hatten alle unseren Spaß, auch wenn es sich manchmal nicht so anfühlte.
Was meine Partien in diesem Turnier angeht, so hatten sie zum Teil den Anschein eines Glücks­spiels. Ich arbeite daran, dass sich das ändert.
Euer Arnd

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1 KommentarKommentieren

  • Markus Zelanti - 14. April 2015 Antworten

    Lieber Arnd,
    danke für diese schöne Nachlese.
    Es hat bzw. macht mir viel Spass deine Partien zu analy­sieren.
    Ein paar schöne Kombis sehe auch ich sogar:)
    Grüße Markus

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