Verhaltener Start in Meißen
Am zweiten Adventswochenende steht die traditionelle Doppelrunde in Meißen für die 1. BL auf dem Programm. Mit dem FC Bayern München und BCA Augsburg hat die Mannschaft der Schachfreunde nominell schwächere Gegner vor sich, gegen die jeweils ein Sieg fest eingeplant ist.
Samstag
Stark besetzt wollen die Schachfreunde die Sache klarmachen, aber es ist komplizierter als erwartet.
Brett 1, Niclas Huschenbeth – Kacper Piorun: Nach 2 Minuten haben beide Spieler 8 min mehr auf der Uhr und schon 16 Caro-Kann-Züge runtergeblitzt. Auch an 2 kommt Caro-Kann aufs Brett. Jacek Tomczak mit Weiß opfert in der Durchzugsvariante gegen Sebastian Bogner seinen e5-Bauern für scharfes Spiel. Seinen Gegner kostet das Ganze viel Zeit – im praktischen Sinne ganz sicher eine gute Wahl von Jacek. An Brett 3 spielen Miguel Santos Ruiz und Wojciech Moranda ihre Vorbereitungen zu einem frühen Remis, mit dem Wojciech als Schwarzer nicht unzufrieden ist. Neuzugang Luca Moroni steht nachhaltig leicht besser, und bei Szymon Gumularz und Marco Baldauf stehen etwa ausgeglichene Positionen auf dem Brett.
Krzysztof spielt mal wieder eine wilde Partie, sehr spannend. Sein König steht arg luftig und der Gegner hat ein Läuferpaar, allerdings hat Krzysztof ein stabiles Bauernzentrum, das seinen König etwas vor dem Läuferpaar beschützt. Für’s Endspiel interessant ist sein d5, ein gedeckter Freibauer. Der Computer meint inzwischen, die Stellung wäre nahezu ausgeglichen. Thore Perske an Brett 8 hat leider recht schnell verloren. In einer italienischen Partie geriet er als Weißer zuerst am Königsflügel, dann auf der d-Linie und schließlich am Damenflügel unter Druck. Mit dem Damentausch im 16. Zug spielte er dabei seinem Gegner in die Hände und es gelang nicht, die Entwicklung abzuschließen und für die Springer gute Felder zu finden. Plötzlich fiel die ganze Stellung auseinander. Schade.
Nacheinander remisieren unaufgeregt die Bretter 2, 1 und 6. Nur noch zwei Partien sind übrig, um wenigstens Ausgleich im Mannschaftskampf zu erreichen. Krzysztof hat in unübersichtlichem Gemetzel wieder mal besser durchgesehen und eine Qualität gewonnen. Sein Gegner leidet schreckliche Zeitnot, ist im 30. Zug – in allerdings schon verlorener Stellung – bis auf 2 Sekunden „unten“. Es entsteht ein Endspiel D gg. T+L, das die wendige Dame klar für sich entscheiden dürfte. Kann Luca Moroni, der starken Druck auf den gegnerischen König ausübt und zudem einen Mehrbauern hat, gewinnen und so doch noch einen knappen Sieg für die Schachfreunde sicherstellen?
Nach dem Damentausch ist leider der meiste Dampf raus, es ist ein schwer einschätzbares Endspiel entstanden.
Stellung nach dem 43. schwarzen Zug
Luca kämpfte noch eine Weile und es ergab sich im um den 50. Zug noch mal eine versteckte Chance auf Vorteil, aber es reichte nicht, zumal seine Bedenkzeit auch recht knapp wurde. Dann lieber das Unentschieden für die Mannschaft absichern.
So sieht der Endstand aus:
BCA Augsburg, die Gegner am Sonntag, haben heute Dresden besiegt und dürften mit einigem Selbstvertrauen gegen die Schachfreunde antreten. Hat der vollständige Verzicht auf Alkohol zum Abendessen bei den Spielern etwas gebracht? Bleiben Sie gespannt!
Sonntag
Die Aufstellung zeigt keine Überraschungen: alles wie am Vortag.
Wieder ein Schnellstart an Brett 1: Kacper blitzt die Eröffnung runter, hat eine asymmetrische Stellung erreicht, kurioserweise ist fast die gesamte d-Linie vollgestellt. Weiß hat das leichtere Spiel, Schwarz muss sich noch fertig entwickeln, er hat zudem einen Isolani zu beschützen. Das sieht nach langem Kampf aus.
Jacek an Brett 2 investiert schon nach 8. g4 über zehn Minuten. Ganz große Hoffnungen setze ich in Wojciech. Er spielt 3. Sd2 in der Französischen Verteidigung gegen Michail Prusikin und ich erinnere mich zu gut, wie er mir mal – desillusionierend! – die Nachteile der französischen Verteidigung für Schwarz geballt vor Augen geführt hat. Also wird ihm wohl gefallen, was er da auf dem Brett hat und ich drücke die Daumen.
Luca Moroni hat es als Schwarzer mit der spanischen Abtauschvariante zu tun. Auch hier sind entsprechend Ungleichgewichte in der Stellung und das entstandene Endspiel ist sehr tief ausanalysiert. Wer kennt sich hier besser aus?
Zwei Stunden Weihnachtsmarkt und 20 Minuten Stehen vor verschlossener Tür später ist viel passiert. Kacper, Luca, Marco und Thore haben schon remisiert, die übrigen Bretter stehen gut bis wesentlich besser.
Nach gut drei Stunden spielen nur noch Krzysztof (gewann wenig später - mit 2 aus 2 ein maximal erfolgreiches Wochenende für ihn!), Jacek, Wojciech und Szymon (stehen vermutlich alle besser). Szymon muss ab Zug 30 mit unter einer Minute spielen. Doch die zu erwartenden Resultate aus all diesen guten Stellungen lassen Mannschaftsleiter Lars trübe dreinblicken. Jacek muss sich irgendwo verrechnet haben und hat plötzlich ein Endspiel mit beiderseits S+T auf dem Brett, allerdings zwei Bauern weniger (!). Ob er das hält? Wojciech remisiert (er hatte eine Qualität für einen Bauern gewonnen und schien mit f4, g4, f5 einen durchschlagenden Plan zu verfolgen. Doch nach dem Damentausch verflachte die Stellung schnell ins Remis. Es steht 3,5 zu 2,5 für die Schachfreunde, aber an den beiden verbliebenen Brettern ist insgesamt zwischen 0 und 1,5 Punkten alles drin. Lars muss mal eben raus, Mut tanken.
Szymon wird weiter geprüft, er steht inzwischen kritisch und auch nach der Zeitkontrolle bleiben die Zeitprobleme.
Jacek hatte immerhin etwas Kompensation: alle seine Figuren stehen aktiv und Weiß verlor schnell seinen c-Bauern. Nach dem Turmtausch wurde klar, dass das Remis und damit ein Unentschieden für die Mannschaft gesichert ist. Jacek konnte aufatmen, war aber mit dem Resultat nach dem Partieverlauf natürlich nicht zufrieden.
Szymon denkt sehr lange nach und findet eine gute Ressource. Er kann eben doch 50. Lxh5 spielen, gefolgt von Le2 und Weiß hält nicht nur den schwarzen b-Bauern auf, er hat nun sogar einen entfernten Freibauern! Sogleich griff sein Gegner mit 51. ... La2 fehl.
Szymon gewinnt, aber er quält die Zuschauer mit seiner Zeitverwaltung. „That is bad for the heart of the spectators“, sagte Krzysztof zutreffend.
Das 5:3 sieht nicht so knapp aus wie es tatsächlich war. Trotzdem ist es ein verdienter Sieg der Schachfreunde an diesem Sonntag. Mit insgesamt 3 Mannschaftspunkten gegen den Abstieg kann die Mannschaft insgesamt recht zufrieden sein. Reisepartner Dresden machte übrigens nur einen Mannschaftspunkt gegen Augsburg und München zusammen und war bitter enttäuscht.
Alle Partien können hier nachgespielt werden. Vielen Dank an Bengt und Lars für die vielen Bilder.
Kommentieren