Unterhaltsames Schach in Hamburg
Der Klassenerhalt ist zwar schon so gut wie gesichert, aber einen guten Saisonabschluss möchte man schon noch hinlegen. In starker Besetzung treten daher die Schachfreunde in Hamburg zur letzten Doppelrunde der Saison an: am Samstag gegen Kiel, einen Aufsteiger, der sich vermutlich in der 1. Bundesliga – wenn auch knapp – behaupten wird, am Sonntag gegen Gastgeber HSK.
Gegen Kiel waren zwei Mannschaftspunkte angepeilt worden. Nach ELO-Zahlen leicht favorisiert gingen die Schachfreunde auch ins Rennen und im wesentlichen sah es immer leicht besser aus, also nach einem knappen Sieg. Am Ende kamen mit Mühe 4 Brettpunkte zusammen.
Schachfreunde Berlin 4 : 4 SG Turm Kiel Piorun, Kacper ½ : ½ Salgado Lopez, Ivan Moranda, Wojciech ½ : ½ Dziuba, Marcin Tomczak, Jacek ½ : ½ Khenkin, Igor Sprenger, Jan Michael 1 : 0 Jakubiec, Artur Schreiner, Peter ½ : ½ Hector, Jonny Abel, Dennes 0 : 1 Pakleza, Zbigniew Blohberger, Felix 1 : 0 Hoi, Carsten Seyb, Alexander 0 : 1 Bromann, Thorbjorn
Hier können die Partien nachgespielt werden.
An Brett 1 kam es schon nach 20 Zügen in einer spanischen Partie zu einer Zugwiederholung. Kacper Piorun und sein nominell etwa gleich starker Gegner hatten wohl beide ihre Hausaufgaben gemacht und vermutlich keine Lust auf Experimente.
Viel spannender verlief das Duell an Brett 2 zwischen Marcin Dziuba und Wojciech Moranda. Schwarz behauptete in einer katalanischen Partie einen Mehrbauern am Damenflügel um den Preis einer zurückgebliebenen Entwicklung. Nach überstandenem Mittelspiel sollte dieser Mehrbauer eigentlich im Endspiel zum Trumpf werden. Doch sein Gegner wollte die Partie anders gestalten, goss mit 13. Sxf7 Öl ins Feuer und opferte einen Springer. Zwar konnte sich in der Folge der schwarze König auf f8 in Sicherheit bringen, doch es kam zu wildesten Verwicklungen. Schwarz gab nach und nach das Material zurück, um Turm und Läufer zu befreien und um jeden Preis die Damen zu tauschen. Sein vorrückender c-Bauer kostete wiederum den Gegner einen Läufer, und danach war die Punkteteilung besiegelt.
Bei Tomczak - Khenkin war zu sehen, wie aggressiv Caro-Kann aus schwarzer Sicht gespielt werden kann. Mit dem Remis im 20. Zug wird Weiß nicht unzufrieden sein.
Jan Sprenger spielte eine Partie wie aus einem Guss. Vermutlich hat der Gegner ihn mit 1. f4 überrascht, doch das schwarze Konzept sah zu jedem Zeitpunkt überzeugender aus. Mit Klarheit und Konsequenz dann die Gewinnführung, nachdem der weiße Damenflügel völlig zerlegt worden war. Da waren zwar noch einige taktische Klippen zu umschiffen, aber das ist Jan hervorragend gelungen, er ließ Weiß keine Chance.
An Brett 6 spielte sich hingegen ein Drama ab. Dennes Abel hatte vermutlich nur eine kleine Ungenauigkeit begangen (Ld6 statt Le7), doch die Bestrafung war heftig. Weiß öffnete Linien, Schwarz musste sich weiter schwächen und kam nicht zur Rochade, war nur am Kämpfen, kein Material zu verlieren und brach schließlich zusammen.
Peter Schreiner spielte gegen Jonny Hektor geduldig eine unaufgeregte lange Remis-Partie, während es auch an den Brettern 7 und 8 zu langen Endspielen kam. Felix Blohberger verwandelte seine aktivere Figurenstellung und die vielen schwarzen Bauernschwächen (beide Gegner haben um den 50. Zug noch Turm, Springer und zahlreiche Bauern) in einen sicheren Sieg.
Sehr schade die Niederlage von Alexander Seyb, der bei unübersichtlichen Verwicklungen lange klar besser, vielleicht sogar auf Gewinn stand. Nachdem auf der h-Linie nichts zu holen war und er eine Zugwiederholung ausgeschlagen hatte, übersah er vermutlich 52. Te3 und und wurde dann auch noch von 54. La5!! heimgesucht. Da war sein Gegner ziemlich wach zu später Stunde, ein herber Moment für Alexander, der kurz darauf aufgeben musste.
Der Sonntag! Auch für den HSK geht es „nur noch“ um die Ehre. Die Aufstellung vom Vortag wird an den Brettern 4, 5 und 6 geändert (Jonas Lampert raus, Dorian Rogozenko rein), bei den Schachfreunden rückt Dennes Abel raus und Emil Schmidek setzt an Brett 8 ein. Nominell eine enge Kiste, an den hinteren Brettern scheinen die Hamburger etwas stärker zu sein.
Schachfreunde Berlin 4½ : 3½ HSK Hamburg Piorun, Kacper ½ : ½ Svane, Rasmus Moranda, Wojciech ½ : ½ Huschenbeth, Niclas Tomczak, Jacek 1 : 0 Hansen, Sune Berg Sprenger, Jan Michael 1 : 0 Ftacnik, Lubomir Schreiner, Peter ½ : ½ Heinemann, Thies Blohberger, Felix 1 : 0 Rogozenco, Dorian Seyb, Alexander 0 : 1 Engel, Luis Schmidek, Emil 0 : 1 Sebastian, Dirk
Was soll man sagen? Es war wieder turbulent. An Brett 1 kam Kacper fast unter die Räder, er rettete sich in der Zeitnotphase mit einem für ihn schon fast typischen „Zauberzug“: 28. Le2! Gegenangriff auf die Qualität und zugleich Sperrzug (droht Df2+). Dies und die Zeitnotsituation, dazu der Respekt vor dem starken Gegner – es ist Rasmus Svane nicht zu verdenken, dass er sich in das Remis fügt, obwohl er immer noch einen Bauern mehr hat und besser steht.
Jacek Tomczak mit ungewöhnlicher Eröffnung und Jan Sprenger (sein Figurenopfer Le6 hat besonders unter praktischen Gesichtspunkten eingeschlagen und ist ansonsten einfach schön) gewinnen beide, dagegen verlieren Alexander Seyb und Emil Schmidek. Mit dem Remis von Peter Schreiner steht es 3 : 3 und die Partien von Wojciech Moranda und Felix Blohberger laufen noch. Während Felix im Damenendspiel zwei Mehrbauern hat und gewinnen wird, steht es bei Wojciech schon seit längerem sehr ausgeglichen. Das wird ein 4,5 zu 3,5 für die Schachfreunde. Das ist Platz 9 der Liga und ein schöner Saisonabschluss!
Baden-Baden ist alleiniger Deutscher Meister, gefolgt von Hockenheim und Solingen. Hier der Tabellenstand. Ich danke allen Protagonisten für die gute Unterhaltung und manche Lehrstunde. Danke auch an Lars für die Fotos. Allen eine schöne Bundesligapause und erfolgreiche Turniere im Sommer.
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