Turnierzirkus: Was vor Wijk geschah

von am 9. Januar 2012 in Nachrichten

Turnierzirkus: Was vor Wijk geschah
Andrej Wolokitin (r.) und Viktor Laznicka beim Finale in San Sebastián - Foto: Chessvibes

Die Zeit zwischen den Jahren beschert uns üppig mit Nachrichten aus der Turnierwelt, doch in der Berliner Liga-Prärie bleibt es still – auch die anderen SF Berlin-Autoren nehmen offenbar noch ihre Auszeit zwischen den Jahren. Gelegenheit also, einen kurzen Überblick zum Turnier­ge­schehen zu geben, bevor das System Spinnen­weben ansetzt.

Arkadij Naiditsch hat maßgeblich dazu beigetragen, dass Deutschland Europa­meister werden konnte. In San Sebastian galt er mit Ruslan Ponomariow, Shakh Mamedjarow und vor allem Vugar Gashimov als einer der Favoriten. Aller­dings behielten auch die ELO-Favoriten nicht immer die Übersicht, denn es wurde an zwei Brettern gleich­zeitig gespielt. Eine Partie mit Weiß, eine mit Schwarz.

Gegen Andrej Wolokitin war für Naiditsch aller­dings schnell Endstation, denn der Taktiker aus der Ukraine zeigte sich unbeein­druckt, als er von der deutschen Nummer Eins im Haudrauf-Blitz­schach-Stil attackiert wurde. Im Gegenteil: Er bekam genau, was er wollte, und mit nur wenigen, eleganten Stichen kehrte Wolokitin den Spieß um und es war fortan Najditsch, der bald nur noch zusehen konnte, wie die schwarzen Figuren durch seine durch­lö­cherte Stellung spazierten.


Das Duell erinnerte an eine Partie des Ukrainers gegen Hikaru Nakamura, nur dass Naiditsch in diesem Fall nicht ganz so ungezwungen in die Partie gegangen war wie der US-Star, der zwar zwischen­zeitlich sehr gut stand, insgesamt aber offenbar zu viel Bullet gespielt hatte vor dieser Partie:


Vor fünf bis zehn Jahren, als die neue ukrai­nische Generation um Ponomariow, Karjakin, Efimenko und Kollegen begann, von sich reden zu machen, trat auch Andrej Wolokitin in Erscheinung. Als er einmal Sergej Rublewski aus dem Sattel hob, schnalzten die Kenner mit der Zunge.


Das Turnier verlief für Naiditsch nicht sonderlich erfolg­reich, aber so ging es auch Gashimov, Mamedjarow, van Wely und Ponomariow. Inter­essant war auch, wie der tsche­chische Großmeister Viktor Laznicka (2704) ab Runde vier die Top-Shots elimi­nierte: Die Skalps von Vachier-Lagrave, Gashimov und Moiseenko säumten seinen Weg, bis es zum großen Showdown mit Andrej Wolokitin kam (Details bei TWIC und Chess­vibes).

Ein Destaster erlebte auch Hikaru Nakamura. Zwar führte er in Reggio Emilia die Tabelle lange an, brach dann aber zum Schluss kondi­tionell ein. „Meltdown“ heißt dies in den USA, was wir hierzu­lande Zusam­men­bruch nennen, aber Nakamura blieb opiti­mis­tisch, muss er auch, denn bald geht es in Wijk weiter, und 13 Runden sind 13 Runden. Wassili Iwant­schuk war aber der erste mit dem Meltdown, und der setzte nach einer Null in gewon­nener Stellung gegen Nakamura ein. Gewonnen hat das Turnier übrigens Anish Giri, der zwar keinen Meltdown hatte, aber in Gewinn­stellung gegen Alexander Morose­witsch patzte. Der erste große Turnier-Sieg für Giri!

Der gute Spieler wird vom Glück begünstigt, heißt es (Capablanca: „A good player is always lucky“), doch der gute Spieler weiß eben auch maximalen Wider­stand zu leisten, und den zu überwinden kostet auch Nerven. Morose­witsch konnte offenbar einiges an Wider­stand aufbieten, und Anish Giri wird daraus seine Lehren gezogen haben.

Auch in Reggio Emilia wurde wie in San Sebastian etwas Neues probiert. In diesem Fall die 3-1-0-Punkte-Regel wie im Fußball. Der Nachteil beim doppel­run­digen Turnier liegt auf der Hand, denn mit einer Verlust- und einer Gewinn­partie können zwei Spieler mit einer beider­sei­tigen 3-Punkte-Ausbeute weiter kommen als mit zwei Remis und jeweils zwei Punkten (Details bei TWIC und Chess­vibes).

Weihnachts­tur­niere gab es auch in der Berliner Prärie: Clemens Escher gelang ein gutes Ergebnis in Trave­münde, Ralf-Axel Simon spielte in Zürich, in Potsdam landete Jan Paul Cremer von den Schach­pin­guinen vor Ulf von Herman, Martin Gebigke, Veit Godoj, Martin Brüdigam, Peter Welz und Ronny Gaerths.

Beim Zugzwang-Winteropen gewann Georg Kachi­badze vor Dirk Paulsen. Auf den dritten Platz kam Kristian Dimitri­jeski vor Sergej Kalinit­schew (6.) und Frank Niehaus (7.).

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