Luxusfernsehen aus Moskau
Auch wenn man nicht Russisch spricht, sollte man als Liebhaber des Schachspiels einmal in die Live-Übertragung des Tal-Memorials schalten (dort auf der Seite in russischer Sprache mit den Tabellen auf den blauen Button in den nach Datum sortierten Sektionen mit der Aufschrift „Онлайн“ – „Online“ – klicken). Mit einnehmender Qualität fangen hochauflösende Kameras das Geschehen ein, ein angeregter Kommentatoren-Dialog besorgt das Hintergrundrauschen und die Übertragungstechnik für Schach-Analysen sind nicht nur auf dem allerneuesten Stand - mehr noch: sie setzen neue Maßstäbe. Wer doch gern etwas auf Englisch hören möchte, kann Chess.tv einschalten (Weblink siehe unten).
So etwas ist nicht vergleichbar mit dem, was bisher in der Schachwelt geschah, und wir hoffen, dass unser Schattendasein in den westlichen Medien langsam kompensiert wird durch das Internet. Wir sammeln immer mehr Erfahrungen, die Qualität wird immer besser. Nicht nur für die Schachbundesliga gibt es Anregungen technischer und inhaltlicher Art.
Verglichen mit Fußball ist das immer noch ein Klacks an Produktionskosten, sogar im Vergleich zu Tennis, wer weiß, vielleicht sogar verglichen mit Poker oder Billard. In Moskau hat Gazprom die Taschen geöffnet, und gerade beim Schach gilt die Devise: wer zahlt, ist der Chef. Da wird nicht lange gefackelt, schon gar nicht in Russland, wenn Gazprom im Spiel ist. Wes Brot ich ess, des Lied ich sing. Zu mehr sind Schachspieler gerade nicht in der Lage, siehe Iljumschinow, der gerade mit überwältigender Mehrheit wiedergewählt wurde. Oder wie Papa Kamsky einst sagte: „You pay, Gata play.“
Uns geht es hier aber um das Format, und es ist der Konzern Gazprom, der in diesem Fall klug genug ist, sich mit diesem Ereignis weltweit zu profilieren. Schon nach Wijk aan Zee gingen wir vor Begeisterung in die Knie. So kann es weitergehen.
Ach ja, das Schach: sehr interessant, doch wir wollen heute nicht das wiedergeben, was andernorts analysiert wird. Kasparow meldete sich über Twitter, Spezialisten kommentieren, nicht zuletzt auf der Turnierseite selbst, alles sehr interessant. Nur soviel: Nachspielen und Studium lohnen sich ohnehin.
→ Partien im PGN-Format via TWIC
→ Chess.TV (mit Kommentaren auf Englisch)
Nachtrag: Die gemeinsame Pressekonferenz von Alexander Morosewitsch und Hikaru Nakamura ist äußerst sehenswert. Allein schon, wie Morosewitsch es gelingt, die Fassung zu wahren („Wahrscheinlich war 38.Dd1 ein studienhafter Zug, der einzige Zug, der verliert. Jeder andere Zug hält Weiß in der Partie.“ - auch wie sich beide Top-Stars sich die Varianten zuspielen macht Eindruck. Besonders, weil Morosewitsch eigentlich komplett enttäuscht ist.
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