Starker Andrang im Willy-Brandt-Haus
Selten gibt es in der Schachbundesliga so viele Zuschauer. Das liegt zum einen an der fantastischen Location, dem Willy-Brandt-Haus, in dem die 1. Mannschaft der Schachfreunde zum zweiten Mal als Gastgeber auftritt. Zum anderen wurde hier vor wenigen Tagen die Ausstellung „Vivian Maier – Street Photographer“ eröffnet, die viele Berliner und Besucher anzieht. Auf allen Etagen und direkt neben den Brettern stehen die Schaulustigen, darunter viele stadtbekannte Vereinsmitglieder, Schachspieler und ihre Angehörigen.
Doch die erste halbe Stunde dieses Wettkampftages ist für die Spieler vor allem eins: anstrengend. Es ist ein Kommen und Gehen im Atrium, Gemurmel ist in einem fort zu hören. Unkundige Besucher telefonieren gar laut und müssen darauf hingewiesen werden, „dass hier zum Teil Weltklasse-Großmeister am Start sind, die Ruhe brauchen.“ (Schiedsrichter Martin Sebastian).
Theo Heinze macht unermüdlich Fotos. Souverän dirigiert er störrische durchgeistigte Individuen, die sich eigentlich auf ihre Partien konzentrieren wollen. Die Schreiberin kämpft mit der Internetverbindung, gibt nach 2 Stunden auf und setzt Beobachtung und Berichterstattung zu Hause fort. Zur Bildergalerie geht’s hier.
Heute spielen die Schachfreunde gegen die nominell stärkeren Hockenheimer sowie der Reisepartner Dresden gegen die Abordnung aus Trier.
Für die Schachfreunde ist es in dieser Saison noch enger als in früheren Jahren. Ein Mannschaftspunkt wäre klasse gegen die starke Gegnerschaft, zumal der HSK, auch immer mal wieder vom Abstieg bedroht, heute nicht mit stärkster Aufstellung antritt.
Die Partien können wie immer live verfolgt werden.
Schachfreunde Berlin 3½ : 4½ SV Hockenheim Mista, Aleksander 0 : 1 Rapport, Richard Krämer, Martin ½ : ½ Saric, Ivan Piorun, Kacper ½ : ½ Baramidze, David Schneider, Ilja ½ : ½ Buhmann, Rainer Maksimenko, Andrei ½ : ½ Wagner, Dennis Lauber, Arnd 0 : 1 Brunello, Sabino Moreno Tejera, Emilio 1 : 0 Pähtz, Elisabeth Thiede, Lars ½ : ½ Boguslavskyy, Oleg
Eine Kurzpartie spielt mal wieder Ilja. Mit Weiß remisiert er gegen Rainer Buhmann nach 21 Zügen und ist um 15.20 Uhr schon fertig für heute. Man könnte denken, Schach ist ganz einfach.
An den anderen Brettern wird gekämpft. Arnds Partie hatte überraschend schnell Schlagseite nach dem zu optimistischen Vorstoß 19. a5. Sein Gegner konterte stark mit 19. ... Txc1! gefolgt von 20. Dxc1 Sd3! - und nach der Abwicklung verbleibt Weiß mit zu wenig Material. Arnd muss aufgeben, schade. Kacper und Andrei remisieren und Hockenheim geht mit 1½ : 2½ in Führung.
Im Analyseraum ist viel Betrieb! GM Robert Rabiega und zahlreiche Berliner Schlachtenbummler analysieren hier die laufenden Partien, die zeitverzögert auf schachbundesliga.de übertragen werden.
In weiser Voraussicht - die Unruhe im Saal nimmt nicht ab - hat sich Martin Krämer die Ohren zugestopft, er macht auch einen weitgehend unbehelligten Eindruck vom allgegenwärtigen Gewusel. Gegen Carlsen-Bezwinger Ivan Saric zieht er seine Kreise und hat seit vielen Stunden eine gute, zeitweilig bessere Stellung. 19 Uhr, 5 Stunden gespielt: Emilio schafft die Zeitkontrolle, hat aber einen Bauern weniger. Auch Aleksander muss verteidigen. Sein Gegner Richard Rapport hat ein Läuferpaar, das zusammen mit der Dame den schwachen h-Bauern attackiert. Lars hat vermutlich zu viel abgetauscht. Schade, dass sein Angriff kurz vor der Zeitkontrolle nicht durchschlägt, das Remis im verbliebenen Endspiel Läufer und 2 Bauern gegen Springer und Bauer ist absehbar.
19.30 Uhr: Remis an Brett 2. Aleksander und Emilio werden ihre Partien kaum halten können und damit ist eine deutliche Niederlage schon fast besiegelt. Der HSK hingegen erzielt einen sensationellen 5:3 Sieg gegen Mülheim.
20.25 Uhr: Emilios Gegnerin Elisabeth Pähtz macht schon seit längerem keine Fortschritte mehr im Leichtfiguren-Endspiel. Mit 52. e5 hat sie gerade ihren Ld6 zum Großbauern degradiert, wie GM Dr. Karsten Müller sagen würde (der heute eine tolle Partie spielte und einen wichtigen Punkt für den HSK einfuhr). Es ist jetzt alles wieder offen, denn Emilio wird den weißen Bauern auf b4 gewinnen. Die verbliebene Bedenkzeit: 2 gegen 9 Minuten - das sieht gut aus für Emilio, denn die Probleme liegen nun eher auf Seiten von Weiß.
Nach sieben Stunden gewinnt Emilio sogar noch! Er hatte schließlich 2 Mehrbauern, davon gibt er seinen („falschen“) Randbauern auf und drängt den gegnerischen Läufer von der Verteidigung ab. Kurz vor der unvermeidlichen Bauernumwandlung gibt sich seine Gegnerin geschlagen. Herzlichen Glückwunsch zu dieser tollen Endspiel- und Sitzfleischleistung! Ein kleiner Trost, auch wenn dieser Kampf trotzdem knapp verloren geht.
Am Sonntag kam es dann zur Begegnung mit der SG Trier mit folgenden Ergebnissen:
Schachfreunde Berlin 3 : 5 SG Trier Mista, Aleksander 1 : 0 Erdos, Viktor Krämer, Martin 0 : 1 Howell, David Piorun, Kacper 1 : 0 Borbas, Pjotr Schneider, Ilja 0 : 1 Cyborowski, Lukacz Maksimenko, Andrei ½ : ½ Parligras, Mircea-Emilian Lauber, Arnd 0 : 1 Gonda, Laszlo Moreno Tejera, Emilio 0 : 1 Jaracz, Pawel Abel, Dennes ½ : ½ Galyas, Miklos
Vielen Dank für die tollen Bilder von Theo Heinze und Fernando Offermann. Wann kann man schon mal so aus dem Vollen schöpfen?!
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