Sensation knapp verpasst
Hinten 2:0 und vorne dichthalten - von diesem Plan ging leider nur der erste Teil auf. Hier können die Partien nachgespielt werden. Die Gegner vom Montag waren von ihren ELO-Zahlen her ein Stück stärker, vor allem an den vorderen Brettern. Aber fangen wir hinten an.
Das Schweizer Brett 6 war der (früheren) Vorbereitung und Erinnerung sowie Rechenkraft von Christoph nicht gewachsen. Schon nach knapp 10 Zügen stand dieser sowas von auf Gewinn, dass man sich nur noch die Augen reiben konnte. Sowohl Christoph als auch Jan Sprenger sagten mir später, das wäre Theorie, kann man kennen (sorry, ich kannte es nicht). Umso mehr hatte die Kiebitzin wohl Freude an diesem Massaker.
Brett 5: noch ein voller Punkt, dieser aber etwas überraschend, nachdem sich Jan in schwieriger Stellung für seltsame Materialverhältnisse entschieden hatte (ein Kilo Leichtfiguren, zwei Bauern und Schwindelchancen gegen Dame, deplatziert stehenden Springer und ein Erliegen der weißen Dominanz). Aus praktischen Erwägungen eine hervorragende Entscheidung von Jan, denn der Gegner kam mit der plötzlich veränderten Lage nicht klar und geriet in Zeitnot, spielte einige weiche Züge, und das reichte für Schwarz, um effektvoll und siegreich die Partie abzuschließen.
Brett 4: Henrik spielte eine Najdorf-Partie und hatte die Chance auf eine nachhaltig ausgeglichene oder leicht bessere Position mit dem schönen Zug 23. Ld5! gehabt. Danach hätte er einen Bauern gewonnen und dynamisch-gut gestanden. Doch die knapper werdende Zeit war wohl ausschlaggebend, leicht zu sehen ist Ld5 nicht, doch alles andere (auch das gespielte a4) führen zu dauerhaftem leichtem Nachteil, den der Gegner verdichtete und verwertete.
Brett 3: Johannes spielte eine über weite Strecken ausgeglichene Grünfeld-Partie. Gut vorbereitet wusste er genau, wie er sich aufstellen will, harmonisch und vermeintlich ohne Schwächen. Doch sein Gegner spielte schließlich die Stärken seines Springers gegenüber dem weißfedrigen Läufer aus. Wenige ungenaue Züge reichten und Weiß drang mit Dame, Turm und Springer in die schwarze Stellung ein. Plötzlich stand bei Weiß alles richtig und bei Schwarz alles falsch, wie in der Analyse prägnant gesagt wurde.
Springen wir zu Brett 1, einer Partie, die ich aus schwarzer Sicht kaum verstanden habe. Mit 6. e4 wird schon mal Öl ins Feuer gegossen, ein Bauernopfer, das die Diagonale a2-f7 für die Damen-Läufer-Batterie erschließt (da bin ich noch dabei). 8. ... Sh6 (der Zug, der auch vom Computer empfohlen wird) lädt ein zu 9. Lxh6 gxh6 – Weiß gibt sein Läuferpaar auf und zerstört dafür die schwarze Bauernstruktur am Königsflügel. Auf Dauer hat nun Schwarz zwei Probleme: Er muss kurz rochieren, in die geschwächte Struktur hinein, und wie auch immer seinen Damenflügel entwickeln. Die Summe der Probleme bei aufkommender Zeitnot, nachdem Emil zu Beginn sehr schnell gespielt hatte und offenbar noch in der Vorbereitung war, wurde schließlich zu groß.
Es stand also 2:3 gegen uns und Rainer spielte noch seine spannende Spanisch-Partie. Er tadelte später seinen Zug 22. c4, den sein Gegner á tempo mit c5 beantwortete (angesichts der Komplexität für mich völlig überraschend, oder war das etwa noch Vorbereitung?). 22. c4 ist ein „Menschen-Zug“, auf der Suche nach Dynamik und in der Hoffnung, doch noch auf den vollen Punkt und ein Unentschieden für die Mannschaft zu kämpfen. Das Remis schließlich geht für die Partie in Ordnung, für die Mannschaft steht damit eine knappe Niederlage auf dem Ergebnisformular.
Das Losglück beschert uns in Runde 3 das Team Wasa SK aus Schweden sowie erneut den Saal 1, wo sich neben der Abordnung der Schachfreunde auch die Weltklasse versammelt (Spitzenpartie heute: Dominguez gegen Mamedjarov). Da ist das Zuschauen so spannend, dass man erst am Abend die Rückenschmerzen vom vielen Herumstehen spürt.
Benjamin Schweitzer - 12. November 2019
Danke für die Berichte - habe zuhause am Rechner mitgefiebert... Alles Gute für Runde 3!