Schach-960: FM Paulsen 5:0
Wenn er sich nicht selbst eine Grube gräbt, so ist dem mehrfachen „Berliner Meister im Schach 960“ FM Dirk Paulsen in dieser Disziplin im Berliner Sprachraum wohl kaum ein Turniergewinn streitig zu machen. Der Einsatz der hauseigenen Geheimwaffen GM Rainer Polzin und IM Lars Thiede konnte daran nicht rütteln:
Hier die Endtabelle
Den inoffiziellen Preis des „Fairsten Spielers“ teilten sich – von allen unbemerkt: Zoran Filipovic und Dusan Jeremic. Die Partie der beiden war aufgrund eines regelwidrigen Zuges von Zoran klar entschieden, nämlich 1:0 für Dusan. Nachdem bereits die nächste Runde ausgelost war, meldete sich Dusan und wünschte Korrektur der Eingabe in 0,5:0,5. Eine Runde später allerdings wollte Zoran das nicht mehr gelten lassen, sodann also wieder 1:0 für Dusan. Die letzte Korrektur des Ergebnisses nahm ich dann in der letzten Runde vor, als Dusan nochmals auf eine Punkteteilung bestand. Ich versuchte im Programm mit der regelwidrigen Ergebniseingabe 1:1, was mir aber nicht mehr gelang.
Überschattet wurde das Turnier später noch von einem Anruf von Markus Zelanti, der aus irgendwelchen Kanälen vom plötzlichen Tod des Wilfried Pilgrim erfahren hatte. Wilfried hatte vor drei Wochen – zu meinem besonderen Stolz – selbst bei unserer erst zweiten Ausgabe des Schach-960-Turnieres teilgenommen.
Wilfried wird bei mir und uns in Erinnerung bleiben als ein schachspielender Mensch, den man gern als Freund gehabt hätte. Und auch als ein menschlicher Schachspieler, gegen den man genauso gerne verloren, wie auch gewonnen hatte, weil das Spielerische das Eigentliche war.
Dirk Paulsen - 19. Februar 2015
Selbst wenn mich dieser Kommentar in gewisser Weise stolz machen sollte/könnte: meine Siege gegen Polzin und Thiede in den letzen beiden Runden hatten nach meiner Auffassung wenig mit der zugelassenen Vielfalt der Ausgangsstellungen zu tun. In beiden Partien hatte ich in gewissen Phasen der Partien Nachteil. Dies bedeutet einerseits: es kann unmöglich etwas mit den entzogenen (beidseits, aber der davon angerichtete Schaden vermutlich auf meiner Seite geringer) Theoriekenntnissen zu tun haben. Auch nehme ich keineswegs eine mir angedichtete Überlegenheit hin. Ich habe Erfolge gehabt, das ist richtig. Ich freue mich mehr auf derartige Turniere als auf andere. Ebenfalls richtig. Ich konzentriere mich vielleicht dadurch noch etwas mehr. Denkbar. Ich habe auch eine viel geringere Sorge, aus der Eröffnung mit Nachteil zu kommen, gerade gegen bessere Gegnerschaft, und sehe mich von daher nicht zu meinen im klassischen Schach teils schon legendären, aber in der Vielzahl haarsträubenden Experimenten gezwungen, nur um dem Gegner den Vorteil überlegener Kenntnisse zu entziehen. All dies ist richtig. Aber: Glück bleibt Glück, und dies war mir in diesen beiden gewonnenen Partien hold.
Und nicht nur in diesen. Denn, unabhängig davon, dass man eine Partie auch fehlerfrei oder zumindest sehr gut spielen könnte, planvoll und logisch, mit ökonomischem, angemessenen Zeitverbrauch, so benötigt man noch immer die Hilfe des Gegners, auf welche man nur einen geringen Einfluss hat. Stichwort hier: „Fehler.“ Wobei durchaus die Illusion besteht, dass man diese „erzwingen“ kann. Das „Erzwingen“, wie man meint, entsteht dadurch, dass man Druck ausübt. Dieser kann sowohl zeitlich aus auch stellungsmäßig ausgeübt werden. Maximal erhöht man die Wahrscheinlichkeit dadurch, dass man eigene Fehler vermeidet. So sehr man aber noch immer daran glaubt, dass man ihn mit eigenen und in der Regel überlegenen Fähigkeiten erzwungen kat, geschieht dieser noch immer ungeplant und zufällig.
Vor einer Partie ist der Ausgang offen. Die Favoritenstellungen ergeben sich anhand der Elo-Zahlen (als ein nicht ganz hinreichends Hilfsmittel). Sobald man aber die Wahrscheinlichkeiten für die Partieausgänge exakt errechnet hat, mit beispielsweise Weißsieg bei 75% (ein klarer Favorit also), Remis bei 20% und Schwarzsieg bei 5%, so wäre der Rest der Angelegenheit eine Art Zufallsexperiment -- für den Außenstehenden (denn die Spieler selbst haben die Illusion, einen Einfluss darauf nehmen zu können; diese Einflussnahme ist in der korrekten Berechnung aber bereits enthalten). Falls ich also sogar zu der waghalsigen Prognose käme, dass meine Partien gegen die in der Eloliste über mir rangierenden Höher-Titelträger ausgeglichen wären in der Wahrscheinlichkeitsverteilung (beispielsweise 1⁄3 jeweils) aufgrund der mich angeblich begünstigenden Disziplin (und diese Einschätzung würde ich auch schon ernsthaft anzufechten haben), so benötigte ich noch immer für 2⁄3 Glück, um von dem mir zugeteilten einen Drittel auf die 100% zu kommen, welche ich nach der Austragung hätte.