René Stern gewinnt norddeutsche Blitzmeisterschaft in Hamburg
Beim Fußball-Bundestrainer hätte der Blitzmeister Norddeutschlands vor dem Turnier wohl schlechte Karten gehabt: Entgegen seiner Gewohnheit feierte er lange bis in die späten Stunden, dann stand er in unerbittlicher Frühe am Treffpunkt und fuhr mit zwei Kollegen von Berlin nach Hamburg, um von da an ab elf Uhr vormittags bis siebzehn Uhr am Nachmittag die Konkurrenz auf Abstand zu halten. René Stern (König Tegel) ist zwar kein ausgemachtes Feierbiest wie Louis van Gaal, doch er kann delivern, auch wenn Konditionstrainer das vielleicht nicht erwarten. Über sechs Stunden lang demonstrierte er seine Überlegenheit vor dem Rest der Truppe, nur selten sah man angelegentliche Aussetzer. Und seine Laune blieb gut.
Von den wenigen Fragmenten, die ich auf seinen Brettern verfolgen konnte, gefiel mir besonders eine Partie, in der er mit Springer und Läufer und einigen Bauern (davon ein Freibauer auf der vorletzten Reihe) gegen einen Turm mit einzelnen Bauern gewann. Mit nur zwölf Sekunden auf der Uhr ging bei ihm alles wie am Schnürchen. Hinterher aber kommentierte Stern: „Das war eine der Partien, in der ich schlecht gespielt habe.“ Seine Erklärung: Wenn man in Gewinnstellung zum Schluss nur noch zwölf Sekunden hat, bedeutet dies eben schlecht gespielt.
Ilja wurde Zweiter, auch er ein Kandidat für den Titel, doch wie gesagt, René Stern setzte dieses Mal die Maßstäbe – auf den Turnierverlauf angesprochen meinte Ilja gegen Mittag nur: „Schon den Ergebniszettel von René Stern gesehen?“. Wilfried Bode machte den dritten Platz. Zum Schluss gab es noch einen ausgiebigen Stichkampf um die Quali-Plätze mit Julian Zimmermann (6.), Falko Meyer (7.), Karsten Schulz (8.) und Torben Schulze (9.) – siehe auch das Video über die Veranstaltung.
Für Spieler, die nur gelegentlich an solchen Wettkämpfen teilnehmen und sonst eher unter den Normalsterblichen wandeln, ist so ein Turnier eine Wohltat. Reibungsloser Ablauf, kein Genöle, kein Gezicke und alles korrekt. Nur einmal musste sich der scheue Sebastian Kesten, der zurückhaltend einen Bauer zurechtrückte mit der Bemerkung, der habe auf g3 gestanden, den entgleisten Kommentar anhören: „Das ist einfach gelogen.“ Er ließ es dabei bewenden, was sicher nicht jeder getan hätte. Schnell war aber klar, dass man sich mit solcherlei Bemerkungen vor den übrigen 29 Spielern einfach nur selbst schadet.
Ich selbst hatte in ungefähr vier Endspielen mit Mehrfigur meinen Vorteil wieder eingestellt und musste in der Schlussrunde lachen. Ilja Spivak aus Cottbus hatte mir einmal in Forst meine Stellung dermaßen klinisch in alle Einzelteile zerlegt, das hatte ich nicht vergessen. Dieses Mal war ich am Drücker, doch er brachte einfach ein komplett inkorrektes Opfer, das ich zwar nicht widerlegte, aber immerhin stand die Stellung danach gleich. Schließlich erfolgte ein Turmverlust durch Springergabel. Ein tragikomisches Ende des Turniers, und am Ende dieser neunundzwanzigsten Runde mussten wir beide lachen.
HSK-Legende Christian Zickelbein bot die Schellingstraße – das Clubhaus des HSK macht neidisch – für das kommende Jahr als Ausweichquartier an, wenn irgendwas in Mecklenburg-Vorpommern nicht klappen sollte. Das gab spontanen Applaus.
Ben Dauth fuhr Robert Glantz, René Stern und mich sicher nach Berlin zurück, der frischgebackene Champ war auf der Rückfahrt noch zu anregenden Plaudereien aufgelegt, und allgemein könnte man Turniere dieser Art auch häufiger haben.
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