Mal gucken, was geht
Dies wird wohl ein eher hartes Wochenende für die 1. Mannschaft der Schachfreunde. Das fängt schon mit der Anreise an. Aachen. Ziemlich weit weg für die meisten. Und dann die Gegner, die SG Solingen, der Deutsche Meister des Vorjahres. Er bringt an fast allen Brettern zwischen 150 und 200 ELO-Punkte mehr mit. Oder: Im Schnitt spielen hier 8 GM gegen 8 IM. Psychologen würden sagen, die Schachfreunde stehen vor einer Herausforderung. Mal gucken, was geht.
Alle Partien können wie immer live verfolgt werden unter http://schachbundesliga.de/liveportal
3. Runde: Schachfreunde gegen SG Solingen
Schachfreunde Berlin 3½ : 4½ SG Solingen Mista, Aleksander ½ : ½ Harikrishna, Pentala Schneider, Ilja ½ : ½ Ragger, Markus Baldauf, Marco 1 : 0 Van Wely, Loek Abel, Dennes ½ : ½ Ganguly, Surya Shekhar Seyb, Alexander ½ : ½ Smeets, Jan Schmidek, Emil 0 : 1 Nikolic, Predrag Lauber, Arnd ½ : ½ Sandipan, Chanda Thiede, Lars 0 : 1 Naumann, Alexander
Die Eröffnungsphase kann man schon mal als Erfolg verbuchen. Alle Bretter stehen ausgeglichen gut da. Noch haben die Gegner ihre ELO-Übermacht nicht auf die Schiene gebracht. Das zeugt vermutlich von guter Vorbereitung der Schachfreunde. Auch der Zeitverbrauch ist in etwa paritätisch: Marco und Dennes haben wesentlich mehr Zeit als ihre Gegner investiert, ebenso wie die Solinger Jan Smeets und Alexander Naumann.
Spannend das Geschehen am Spitzenbrett: Aleksander hat sich zum Grand-Prix-Angriff aufgestellt und man darf auf die demnächst einsetzende weiße Attacke am Königsflügel (und die schwarze Entgegnung) gespannt sein. Sehenswert auch, wie sich Emil gegen Predrag Nikolic in die Schlacht wirft. Noch ist auch an den anderen Brettern alles aussichtsreich und gut.
Nun sind schon mehr als zweieinhalb Stunden gespielt. Einzig bei Dennes sieht es nicht ganz so gut aus. Im Endspiel hat er T+S+L gegen T+L+L bei gleicher Bauernanzahl. Zwar konnte Schwarz die Bauernmasse am Königsflügel auflösen, allerdings ist das gegnerische Läuferpaar inzwischen aufgrund der entstandenen Freiräume extrem stark geworden. Vielleicht gelingt es Dennes ja, alles zusammenzuhalten. Nach 23. ... Kc8 ist jedenfalls noch nicht konkret zu sehen, wie Weiß vorankommen will.
Sehr, sehr gut gefällt mir auch die Stellung von Marco, die aus der königsindischen Verteidigung (Sämisch) mit 6. ... c5 entstanden ist. Mit 20. ... h4 hat sich sein Gegner eine dauerhafte Bauernschwäche zugelegt, während Marco den schwarzen Hebel c4 im Griff hat. Schwarz hat zudem eine luftige Königsstellung und bestimmt wird Marco etwas Gutes draus machen.
Ilja steht etwas defensiv, aber stabil. Die Partien von Alexander (Brett 5) und Arnd sehen sehr nach Remis aus. Dennes hat bestimmt eine gute Entscheidung getroffen. Er opferte einen Bauern, dafür musste der Gegner sein Läuferpaar aufgeben. Nun haben beide Gegner Turm und schwarzfeldrigen Läufer, die Partie sieht inzwischen haltbar aus.
Die Übertragung scheint ausgefallen zu sein. Immerhin kann man unter liveschach-schau.de die Partien weiterverfolgen. Und da zeichnet sich ein kleiner Triumph im Kampf zwischen David und Goliath ab!
Aleksander, Alexander und Ilja haben schon remisiert, Emil hat verloren (wohl v.a. wegen suboptimaler Zeiteinteilung) und Marco wird gewinnen (eine ganz starke Partie). Alle restlichen Stellungen scheinen sich in der Remisbreite zu bewegen. Ein 4:4 gegen den deutschen Meister und das in einer Aufstellung, die wohl davon ausging, die Schachfreunde hätten gegen Solingen eh keine Chance, wäre sensationell! Von Rainer war telefonisch sogar zu vernehmen: „Wenn das hier Unentschieden endet, kann Weihnachten kommen.“
18.30 Uhr: Es spielen nur noch Dennes und Lars. Beide Partien stehen etwas schlechter (Dennes hat ja einen Bauern weniger, der aber blockiert ist, Lars’ Doppelbauer fällt hingegen kaum noch ins Gewicht), sollten aber bei nervenstarkem Spiel und mit ein bisschen Glück Remis ausgehen. Es ist aber in beiden Partien noch Präzision und viel Rechenarbeit vonnöten - hoffentlich haben Dennes und Lars noch Kraftreserven.
Dennes spielt lauter starke Züge. Nervenaufreibend ist die Partie für den Kiebitz trotzdem, weil vorgerückte gegnerische Freibauern aufgehalten werden wollen und der eigene Freibauer inzwischen auch schon auf a4 steht. Dennes muss die Uhr im Auge behalten, sein Gegner spielt sehr schnell. Lars’ Springer auf e6 ist ein Fels in der Brandung und hält alles zusammen. Wie sein Gegner vorankommen will ist noch nicht zu sehen.
Zwei nackte Könige und damit Remis bei Dennes! Und nun lastet aller Druck auf Lars. Die Schreiberin geht jetzt erst mal essen, zum Selberkochen bin ich heute nicht gekommen. Lars, halt’ durch!
21.30 Uhr: Der Gänsebraten liegt mir schwer im Magen. Lars hat es nicht geschafft. Sein Gegner Alexander Naumann hat raffiniert ein paar letzte Manöver versucht und (absehbar) den Bauern auf a5 aufs Korn genommen. Lars hätte aktiv dagegen spielen müssen, sagt ganz lässig die Engine (66. ... Sg5), die Partie ist in dieser späten Phase allerdings ein Pulverfass mit zwei agilen Springern und Freibauern auf beiden Flügeln.
Sehr schade. Trotzdem: Die Schachfreunde haben heute ein fettes Ausrufezeichen gesetzt. Auch die Gegner am morgigen Sonntag sind nominell an jedem Brett stärker. Dass das aber rein gar nix bedeuten muss, haben wir heute gesehen. Gute Nacht, morgen ist ein neuer Tag, und seid nicht zu traurig.
4. Runde: Schachfreunde gegen DJK Aachen
Wird es heute wieder einen Krimi geben? Der gastgebende Gegner hat ja in der Samstagsrunde auch einige Nerven gelassen. Dafür, dass gegen Solingen sowieso kein Punkt eingeplant war, hat die Unterhaltung aber auf jeden Fall funktioniert.
Schachfreunde Berlin 3½ : 4½ DJK Aachen Mista, Aleksander 0 : 1 Iturrizaga Bonelli, Eduardo Schneider, Ilja: ½ : ½ Bindrich, Falko Baldauf, Marco ½ : ½ Handke, Florian, Dr. Abel, Dennes 1 : 0 Zaragatski, Ilja Seyb, Alexander ½ : ½ Burg, Twan Schmidek, Emil 0 : 1 Swinkels, Robin Lauber, Arnd ½ : ½ Hoffmann, Michael Thiede, Lars ½ : ½ Santos Ruiz, Miguel
Fangen wir heute mal von hinten an. Lars spielt eine Art Igel mit Weiß (so sieht das jedenfalls momentan aus, vielleicht wird ja noch ein Tiger draus). Bestimmt hat die Schreiberin ja auch naive Vorstellungen davon, wie man auf dem Niveau eine Partie gegen einen starken Gegner anlegt, aber sich mit Weiß so defensiv aufzustellen verwundert mich einfach. Nach nur eineinhalb Stunden sieht man eine total remise Stellung: symmetrische Bauernstruktur, gleichfarbige Läufer, eine offene Linie, auf der sich die gegnerischen Türme gegenüberstehen. Einziger weißer Vorteil: 40 min mehr auf der Uhr.
Arnd an Brett 7 hat wieder Nimzoindisch gespielt und eine gute Stellung mit freien aktiven Leichfiguren und besserer Bauernstruktur erreicht. Das weiße Läuferpaar kommt (noch) nicht zur Geltung und vermutlich steht Schwarz etwas besser.
Emils Mittelpielstellung sieht aussichtsreich aus. Mit g7-g5 hat sein Gegner Robin Swinkels zwar Raum am Königsflügel gewonnen, dafür aber den Schutz seines Königs gelüftet. Weiß spielt nun auf den Öffnungszug d3-d4 hin. Viel besser als gestern auch der Zeitverbrauch (Restzeit nach 16 Zügen Emil 1:05, Gegner 38 min).
Klar besser steht Alexander gegen Jan Smeets. Hier sind wir schon im Endspiel, beide haben T+T+ weißfeldrigen Läufer. Allerdings hat Alexander die klar bessere Bauernstruktur am Königsflügel. Daraus müsste er eigentlich Kapital schlagen können, je weniger Material auf dem Brett verbleibt.
Auch Marco ist schon im Endspiel, das sieht remislich aus. Iljas Partie ist für mich als Hobby-Spieler schwer verständlich. Ich werde mal in der Datenbank nachgucken.
Vielleicht etwas mehr vom Spiel und dazu wesentlich mehr Zeit auf der Uhr hat Aleksander an Brett 1 gegen den starken GM mit dem imposanten Namen Eduardo Iturrizaga Bonelli.
Zwei Remisen an den Brettern 2 und 8. Auch Ilja hat mit Weiß eine Art Igel gespielt - gibt es da Parallelen? Soll man gratulieren? Und noch eine Remise bei Alexander. Dieses Remis verstehe ich am allerwenigsten. Schwarz hat einen ganzen Bauern mehr! Nach 27. Tgd1 Le8 scheint die Stellung stabilisiert und Schwarz kann seine Damenflügel-Bauern in Marsch setzen und Linien öffnen. Oder ist dies zu sorglos gedacht?
Jetzt kapier ich: Die Früh-Remis-Spieler haben auf Emil gesetzt! Denn besonders spannend und aussichtsreich ist es an Brett 6 nach dem 22. Zug. Emils König scheint gut genug geschützt, derweil seine Dame von einem Ausflug am Damenflügel einen Bauern mitgebracht hat. Einen ganzen Mehrbauern! Die Engine freut sich und springt auf +1,0. Doch vor dem Endspiel kommt der schwarze Königsangriff, und hier muss Emil viel rechnen und dabei auf seine Zeit aufpassen.
Ein weiteres Remis an Brett 7. Es steht 2:2, was den bisher ausgeglichenen Kampf gut abbildet.
14 Uhr: Emils Stellung ist gekippt. Er hat den gefährlichen Springer auf f6 nicht abgetauscht, und der schwarze Angriff rollte dann über ihn hinweg, wobei Emil bei immer knapper werdender Zeit nicht die bestmöglichen Verteidigungszüge fand. Sehr schade. Aleksander hat leider auch verloren, irgendeine Taktik muss schiefgegangen sein. Ein wenig Trost spendet Dennes, der gegen Ilja Zaragatski im Endspiel T+L gegen T+L unmittelbar vor dem Gewinn steht. Zuvor hatte es ein Wettrennen der Bauernketten - Weiß am Königsflügel, Schwarz am Damenflügel - gegeben. Hier war Weiß erfolgreich, weil sein König viel aktiver war und Dennes mithilfe der voranschreitenden Bauern Mattdrohungen aufstellen konnte. Sehr kraftvoll!
Marco erreicht in seinem Turmendspiel, das keine Gewinnchancen - weder für ihn noch seinen Gegner - mehr bietet, ein Remis, und damit geht auch dieser Kampf wieder knapp mit 3½:4½ verloren.
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