Knapp, aber cool

von am 7. Dezember 2011 in 4. Mannschaft, Nachrichten

Knapp, aber cool

Knapper Sieg gegen Hermsdorf und die Welt ist rosig. Bericht zur 4. Runde der BMM der 4. Mannschaft.

SF Berlin 1903 4 (ø 1960)    4½ : 3½  VfB Hermsdorf (ø 1998)
Kai-Stephan Kussatz (1996)    ½ : ½    Alexander Lawrenz (2060)
Abdelkerim Krichi (2036)      1 : 0    Heinrich Burger (2014)
Wolfram Burckhardt (2000)     0 : 1    Guido Balow (2005)
Matthias Licha (2045)         0 : 1    Carsten Schmidt (2070)
Mark Müller (1998)            1 : 0    Martin Hamann (1919)
Fritjof Wolf (1832)            + -     Lothar Pahl (2001)
Rainer Dambach (1888)         0 : 1    Sven Jorgens (1927)
Michael Stieber (1890)        1 : 0    Ralf Zöller (1986)

Einen verdammt knappen Sieg gab es dieses Mal gegen die nominell durchaus stärkeren Herms­dorfer. Durch die Vorgabe einer Partie waren die Chancen aber wieder ausge­glichen. So überrascht es nicht, dass wir den Sieg erst in der letzten, für alle Betei­ligten und auch inter­es­sierten Unbetei­ligten äußerst nerven­auf­rei­benden, Partie sicher­stellen konnten.

Kai Stephan Kussatz spielte wie immer: Remis. Nach 16 Zügen kam er, mit Schwarz spielend, auf mich zu und sagte, sein Gegner habe ihm Remis angeboten. Wenn ich ihn nicht ander­weitig instru­ierte, nehme er es an. Natürlich hatte ich nichts dagegen, mit Schwarz gegen das Spitzen­brett Remis zu machen, auch wenn ich selbst in dieser Endstellung weiter­ge­spielt hätte:

Stellung nach 16. Sxg5

Schwarz hat das Läuferpaar, das Feld d4 und keine Schwächen. Ein Springer auf e6 nebst Läufer auf c5 würde sich schon schön machen. Ich denke, Alexander Lawrenz wird schon gewusst haben, warum er Remis anbot.

Abdel­kerim Krichi und Kai Stephan Kussatz gleichen sich zwar äußerlich wie ein Ei dem anderen: man beachte den ersten zaghaften Versuch der beiden hin zu einer einheit­lichen Mannschafts­kleidung (ich glaube aber, ich lehne mich nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich die Aussage wage, dass die nicht konsens­fähig ist). Dem Partnerlook korre­spon­diert aber keine schach­liche Affinität: Während Kai Stephan ziemlich trocken positionell agiert, setzt Abdel­kerim bei jeder sich bietenden Gelegenheit das Brett in Flammen. Das äußert sich auch in den Resul­taten: das letzte Remis resul­tiert nach meinen Recherchen aus der Saison 200708. Meist gewinnt er, so auch dieses Mal. In der Modernen Vertei­digung lieferte er ein schönes Beispiel dafür, mit welch positio­neller Ruine Schwarz verbleiben kann, wenn er nicht gleich­zeitig umsichtig und aktiv-konkret agiert. In dieser Stellung nach 24. Txd3

musste man schon einige Züge vorher sehen, dass auf 24. ... Db6 25. Ta3 die Mehrqua­lität sichert. Die Computer sehen die Stellung zwar als ausge­glichen an, was ich mir aber nur mit dem (einiger­maßen ineffek­tiven) schwarzen Läuferpaar und dem gedeckten Freibauern erklären kann. Jeden­falls verwertete Abdel­kerim sicher seinen Materi­al­vorteil und machte seine Niederlage aus dem Kampf gegen Spandau wieder wett.

Bezüglich Wolfram Burck­hardt habe ich ein schlechtes Gewissen. Auch sein Gegner bot ihm zwischen­zeitlich Remis an, was er geneigt war anzunehmen: Die Stellung sei äußerst unklar und komplex. Einige Züge zuvor sah es ungefähr so aus:

Für den Minus­bauern hat Weiß Läuferpaar, Raumvorteil und die bessere Bauern­struktur, also auf jeden Fall Kompen­sation. Schwarz hat insbe­sondere Probleme, seinen Damen­flügel zu entwi­ckeln, ohne den Bauern c4 zu verlieren. Mittler­weile hatte sich die Stellung erheblich zugespitzt. Da aber Matthias Licha schon verloren hatte und just zu diesem Zeitpunkt Rainer Dambach die Qualität und aller Voraus­sicht nach auch die Partie verlor, bat ich ihn, ernsthaft zu erwägen, ob es nicht eventuell möglich sei, weiter­zu­spielen. Das tat er auch ohne zu zögern, stellte aber ebenfalls bald die Qualität ein. Solch ein takti­sches Versehen ist eher unüblich für ihn. Danach war nichts mehr zu retten, auch wenn er noch lange kämpfte. Bei allem persön­lichen Leid (später meinte ich, das Wort „Schach­psych­iater“ von ihm vernommen zu haben...) kann er sich vielleicht doch ein wenig damit trösten, dass er ein echter Mannschafts­spieler ist - ich jeden­falls weiß das sehr zu schätzen!

Matthias Licha ist aus den unend­lichen Weiten von Azeroth & Co. zurück­ge­kehrt und versuchte sich nach über zwei Jahren Spiel­pause mal wieder im Real Life. Wie so oft ist nach so einer langen Schach­pause (voraus­ge­setzt, man heißt nicht gerade Morose­witsch) der Einstieg äußerst schwierig. So auch hier: Carsten Schmidt, nominell stärkster Spieler der Herms­dorfer, ist ebenfalls ein hochgradig takti­scher Spieler und schaffte es, dem megapo­si­tio­nellen Matthias sein Spiel aufzu­zwingen. Mit einigen heftigen Schlägen wurde die weiße Stellung ausein­an­der­ge­schossen und Matthias blieb nur die frühe Aufgabe. Ich hoffe aber sehr, die daraus notwendig folgende Demoti­vation übersteht die Winter­pause nicht und wir müssen nicht wieder zwei Jahre auf seinen nächsten Einsatz warten!

Mir selbst wurden in der späteren Compu­ter­analyse mal wieder deutlich meine spiele­ri­schen Grenzen aufge­zeigt. In dieser Stellung

hatte ich gerade nach 20 Minuten 10. ... Lf5 gespielt und mir folgende Variante zurecht­gelegt: 11. Dxf5 Dxb2 12. e6 f6 13. Sf3 g6 14. Dd3 Dxa1 15. 0-0 Dxa2 16. Sbd2 und messer­scharf geschlossen, dass das wahrscheinlich schon irgendwie gewonnen sein muss für Schwarz... Das funktio­niert natürlich vorne und hinten nicht, insbe­sondere hatte ich die weißen Möglich­keiten, die Dame entweder via f4/c7 oder g4/b4/b7 mit tödlichem Resultat auf den Damen­flügel zu trans­fe­rieren, überhaupt nicht in Betracht gezogen - Weiß agierte in meiner Vorstellung auf dem Königs­flügel. So ist es gut, dass ich meiner Stärke entspre­chend lediglich in der Stadtliga spiele und mein Gegner fast a tempo 11. Dd2 spielte, wonach ich mit Läuferpaar, halbof­fener b-Linie und ordent­lichem Zentrum bis zum Schluss das Heft nicht mehr aus der Hand gab. Ich schloss meine Entwicklung ab, öffnete mit f6 die f-Linie und setzte d4 durch, während Weiß in der Zwischenzeit wenig Konstruk­tives unternahm. Als kleine Wieder­gut­ma­chung fand ich hier in Zeitnot nach 28. fxe5?!

immerhin noch 28. ... Txf3 29. gxf3 Sxe5 und nach 30. Lxd4? Sxc4 31. bxc4 Td8 ging Weiß an der Fesselung auf der d-Linie zugrunde.


Michael Stieber machte sich schuldig, sich selbst und allen den Schach­freunden wohlge­sonnen gegen­über­ste­henden Kiebitzen unzählige Lebens­jahre gekostet zu haben. Immerhin gewann er klar das Eröff­nungs­duell. In der folgenden Stellung nach 10. Ld2

wäre schwarzer Wider­stand nur mit 10. ... d3 möglich gewesen. Rainer Zöller aber erwischte offenbar einen schlechten Tag und 10. ... Da6 führte kurze Zeit später zu folgender Situation:

Stellung nach 18. ... d3

Schwarz ist total im Arsch. Dass man sich hier noch weitere 40 Züge durch die Gegend schleppen kann, glaubt man nicht, wenn man es nicht mit eigenen Augen gesehen hat. Ob mit oder ohne Einschub von Sd6+, gewann hier am einfachsten f3 nebst langer Rochade, um das einzige weiße Problem der Königs­si­cherheit zu lösen. Später nahm die Partie gewisse surreale Züge an, das Wort vom „Würfel­schach“ machte die Runde. Am Schluss aber gewann Michael doch noch und machte so den 4,5-Sieg perfekt. Seien wir aber nicht zu hart: Michael überspielte seinen Gegner schon in der Eröffnung und gewann gegen einen knapp 2000er, ohne dass der jemals realis­tische Gewinn­chancen hatte. Und wer schon mal in der Situation war, im Mannschafts­sinne in der letzten noch laufenden Partie unbedingt gewinnen zu müssen, weiß, dass dann andere Gesetze gelten. Schließlich noch meine aufrichtige Dankbarkeit dafür, dass Michael trotz einer vier Monaten alten Tochter ein absolut zuver­läs­siger Mannschafts­spieler ist!

Rainer Dambach geriet mit Franzö­sisch etwas unter die Räder. Ein kurzes Streif­licht aus seiner Partie:

Nach 11. ... Sxd3 schlug Weiß hier korrekt mit dem Bauern zurück. Schwarzes Gegen­spiel in dieser eher sizilia­ni­schen Bauern­struktur besteht entweder in dem Versuch, mit f6 das weiße Zentrum zu unter­mi­nieren oder eben in Gegen­spiel am Damen­flügel, Vorstoß der a- und b-Bauern und Spiel auf der halbof­fenen c-Linie gegen c2. Wenn man Weiß zu c2-c3 nötigen kann, geht es mit b5-b4 gegen die nächste Schwäche. Dabei spielt auch das Sprin­gerfeld c4 eine Rolle. Indem Weiß mit dem Bauern wieder­schlägt, nimmt er Schwarz alle diese Ideen und damit auch das Spiel am Damen­flügel zum größten Teil. Ein weiterer Effekt ist, das nach dem von Rainer gespielten f6 Weiß mit d4 das Zentrum stützen kann und anschließend auf der schwarzen Diagonale g1-a7 agieren kann. Das tat er dann auch und gewann die Qualität (damit trat übrigens in dem Mannschafts­kampf dieser Materi­al­un­ter­schied in fünf von acht Partien auf). Rainer leistete noch harten Wider­stand, konnte aber nichts mehr ändern.

Mit 6:2 Punkten überwintern wir auf dem 3. Tabel­len­platz. Wenn der am Saisonende auch auf dem Konto stünde, wäre ich gar nicht so unzufrieden. Das soll aber nicht heißen, dass wir bei perfektem Verlauf nicht auch noch weiter oben landen könnte. Ich glaube, wenn es gut läuft, können wir durchaus jede Mannschaft schlagen. Nächste Runde geht es aber erst einmal gegen Zugzwang, die sich für mich äußerst überra­schend auf dem letzten Tabel­len­platz wieder­finden. Durch unsere Niederlage letzte Saison sind wir dieses Mal aber gewarnt.

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