Knapp, aber cool
Knapper Sieg gegen Hermsdorf und die Welt ist rosig. Bericht zur 4. Runde der BMM der 4. Mannschaft.
SF Berlin 1903 4 (ø 1960) 4½ : 3½ VfB Hermsdorf (ø 1998) Kai-Stephan Kussatz (1996) ½ : ½ Alexander Lawrenz (2060) Abdelkerim Krichi (2036) 1 : 0 Heinrich Burger (2014) Wolfram Burckhardt (2000) 0 : 1 Guido Balow (2005) Matthias Licha (2045) 0 : 1 Carsten Schmidt (2070) Mark Müller (1998) 1 : 0 Martin Hamann (1919) Fritjof Wolf (1832) + - Lothar Pahl (2001) Rainer Dambach (1888) 0 : 1 Sven Jorgens (1927) Michael Stieber (1890) 1 : 0 Ralf Zöller (1986)
Einen verdammt knappen Sieg gab es dieses Mal gegen die nominell durchaus stärkeren Hermsdorfer. Durch die Vorgabe einer Partie waren die Chancen aber wieder ausgeglichen. So überrascht es nicht, dass wir den Sieg erst in der letzten, für alle Beteiligten und auch interessierten Unbeteiligten äußerst nervenaufreibenden, Partie sicherstellen konnten.
Kai Stephan Kussatz spielte wie immer: Remis. Nach 16 Zügen kam er, mit Schwarz spielend, auf mich zu und sagte, sein Gegner habe ihm Remis angeboten. Wenn ich ihn nicht anderweitig instruierte, nehme er es an. Natürlich hatte ich nichts dagegen, mit Schwarz gegen das Spitzenbrett Remis zu machen, auch wenn ich selbst in dieser Endstellung weitergespielt hätte:
Schwarz hat das Läuferpaar, das Feld d4 und keine Schwächen. Ein Springer auf e6 nebst Läufer auf c5 würde sich schon schön machen. Ich denke, Alexander Lawrenz wird schon gewusst haben, warum er Remis anbot.
Abdelkerim Krichi und Kai Stephan Kussatz gleichen sich zwar äußerlich wie ein Ei dem anderen: man beachte den ersten zaghaften Versuch der beiden hin zu einer einheitlichen Mannschaftskleidung (ich glaube aber, ich lehne mich nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich die Aussage wage, dass die nicht konsensfähig ist). Dem Partnerlook korrespondiert aber keine schachliche Affinität: Während Kai Stephan ziemlich trocken positionell agiert, setzt Abdelkerim bei jeder sich bietenden Gelegenheit das Brett in Flammen. Das äußert sich auch in den Resultaten: das letzte Remis resultiert nach meinen Recherchen aus der Saison 2007⁄08. Meist gewinnt er, so auch dieses Mal. In der Modernen Verteidigung lieferte er ein schönes Beispiel dafür, mit welch positioneller Ruine Schwarz verbleiben kann, wenn er nicht gleichzeitig umsichtig und aktiv-konkret agiert. In dieser Stellung nach 24. Txd3
musste man schon einige Züge vorher sehen, dass auf 24. ... Db6 25. Ta3 die Mehrqualität sichert. Die Computer sehen die Stellung zwar als ausgeglichen an, was ich mir aber nur mit dem (einigermaßen ineffektiven) schwarzen Läuferpaar und dem gedeckten Freibauern erklären kann. Jedenfalls verwertete Abdelkerim sicher seinen Materialvorteil und machte seine Niederlage aus dem Kampf gegen Spandau wieder wett.
Bezüglich Wolfram Burckhardt habe ich ein schlechtes Gewissen. Auch sein Gegner bot ihm zwischenzeitlich Remis an, was er geneigt war anzunehmen: Die Stellung sei äußerst unklar und komplex. Einige Züge zuvor sah es ungefähr so aus:
Für den Minusbauern hat Weiß Läuferpaar, Raumvorteil und die bessere Bauernstruktur, also auf jeden Fall Kompensation. Schwarz hat insbesondere Probleme, seinen Damenflügel zu entwickeln, ohne den Bauern c4 zu verlieren. Mittlerweile hatte sich die Stellung erheblich zugespitzt. Da aber Matthias Licha schon verloren hatte und just zu diesem Zeitpunkt Rainer Dambach die Qualität und aller Voraussicht nach auch die Partie verlor, bat ich ihn, ernsthaft zu erwägen, ob es nicht eventuell möglich sei, weiterzuspielen. Das tat er auch ohne zu zögern, stellte aber ebenfalls bald die Qualität ein. Solch ein taktisches Versehen ist eher unüblich für ihn. Danach war nichts mehr zu retten, auch wenn er noch lange kämpfte. Bei allem persönlichen Leid (später meinte ich, das Wort „Schachpsychiater“ von ihm vernommen zu haben...) kann er sich vielleicht doch ein wenig damit trösten, dass er ein echter Mannschaftsspieler ist - ich jedenfalls weiß das sehr zu schätzen!
Matthias Licha ist aus den unendlichen Weiten von Azeroth & Co. zurückgekehrt und versuchte sich nach über zwei Jahren Spielpause mal wieder im Real Life. Wie so oft ist nach so einer langen Schachpause (vorausgesetzt, man heißt nicht gerade Morosewitsch) der Einstieg äußerst schwierig. So auch hier: Carsten Schmidt, nominell stärkster Spieler der Hermsdorfer, ist ebenfalls ein hochgradig taktischer Spieler und schaffte es, dem megapositionellen Matthias sein Spiel aufzuzwingen. Mit einigen heftigen Schlägen wurde die weiße Stellung auseinandergeschossen und Matthias blieb nur die frühe Aufgabe. Ich hoffe aber sehr, die daraus notwendig folgende Demotivation übersteht die Winterpause nicht und wir müssen nicht wieder zwei Jahre auf seinen nächsten Einsatz warten!
Mir selbst wurden in der späteren Computeranalyse mal wieder deutlich meine spielerischen Grenzen aufgezeigt. In dieser Stellung
hatte ich gerade nach 20 Minuten 10. ... Lf5 gespielt und mir folgende Variante zurechtgelegt: 11. Dxf5 Dxb2 12. e6 f6 13. Sf3 g6 14. Dd3 Dxa1 15. 0-0 Dxa2 16. Sbd2 und messerscharf geschlossen, dass das wahrscheinlich schon irgendwie gewonnen sein muss für Schwarz... Das funktioniert natürlich vorne und hinten nicht, insbesondere hatte ich die weißen Möglichkeiten, die Dame entweder via f4/c7 oder g4/b4/b7 mit tödlichem Resultat auf den Damenflügel zu transferieren, überhaupt nicht in Betracht gezogen - Weiß agierte in meiner Vorstellung auf dem Königsflügel. So ist es gut, dass ich meiner Stärke entsprechend lediglich in der Stadtliga spiele und mein Gegner fast a tempo 11. Dd2 spielte, wonach ich mit Läuferpaar, halboffener b-Linie und ordentlichem Zentrum bis zum Schluss das Heft nicht mehr aus der Hand gab. Ich schloss meine Entwicklung ab, öffnete mit f6 die f-Linie und setzte d4 durch, während Weiß in der Zwischenzeit wenig Konstruktives unternahm. Als kleine Wiedergutmachung fand ich hier in Zeitnot nach 28. fxe5?!
immerhin noch 28. ... Txf3 29. gxf3 Sxe5 und nach 30. Lxd4? Sxc4 31. bxc4 Td8 ging Weiß an der Fesselung auf der d-Linie zugrunde.
Michael Stieber machte sich schuldig, sich selbst und allen den Schachfreunden wohlgesonnen gegenüberstehenden Kiebitzen unzählige Lebensjahre gekostet zu haben. Immerhin gewann er klar das Eröffnungsduell. In der folgenden Stellung nach 10. Ld2
wäre schwarzer Widerstand nur mit 10. ... d3 möglich gewesen. Rainer Zöller aber erwischte offenbar einen schlechten Tag und 10. ... Da6 führte kurze Zeit später zu folgender Situation:
Schwarz ist total im Arsch. Dass man sich hier noch weitere 40 Züge durch die Gegend schleppen kann, glaubt man nicht, wenn man es nicht mit eigenen Augen gesehen hat. Ob mit oder ohne Einschub von Sd6+, gewann hier am einfachsten f3 nebst langer Rochade, um das einzige weiße Problem der Königssicherheit zu lösen. Später nahm die Partie gewisse surreale Züge an, das Wort vom „Würfelschach“ machte die Runde. Am Schluss aber gewann Michael doch noch und machte so den 4,5-Sieg perfekt. Seien wir aber nicht zu hart: Michael überspielte seinen Gegner schon in der Eröffnung und gewann gegen einen knapp 2000er, ohne dass der jemals realistische Gewinnchancen hatte. Und wer schon mal in der Situation war, im Mannschaftssinne in der letzten noch laufenden Partie unbedingt gewinnen zu müssen, weiß, dass dann andere Gesetze gelten. Schließlich noch meine aufrichtige Dankbarkeit dafür, dass Michael trotz einer vier Monaten alten Tochter ein absolut zuverlässiger Mannschaftsspieler ist!
Rainer Dambach geriet mit Französisch etwas unter die Räder. Ein kurzes Streiflicht aus seiner Partie:
Nach 11. ... Sxd3 schlug Weiß hier korrekt mit dem Bauern zurück. Schwarzes Gegenspiel in dieser eher sizilianischen Bauernstruktur besteht entweder in dem Versuch, mit f6 das weiße Zentrum zu unterminieren oder eben in Gegenspiel am Damenflügel, Vorstoß der a- und b-Bauern und Spiel auf der halboffenen c-Linie gegen c2. Wenn man Weiß zu c2-c3 nötigen kann, geht es mit b5-b4 gegen die nächste Schwäche. Dabei spielt auch das Springerfeld c4 eine Rolle. Indem Weiß mit dem Bauern wiederschlägt, nimmt er Schwarz alle diese Ideen und damit auch das Spiel am Damenflügel zum größten Teil. Ein weiterer Effekt ist, das nach dem von Rainer gespielten f6 Weiß mit d4 das Zentrum stützen kann und anschließend auf der schwarzen Diagonale g1-a7 agieren kann. Das tat er dann auch und gewann die Qualität (damit trat übrigens in dem Mannschaftskampf dieser Materialunterschied in fünf von acht Partien auf). Rainer leistete noch harten Widerstand, konnte aber nichts mehr ändern.
Mit 6:2 Punkten überwintern wir auf dem 3. Tabellenplatz. Wenn der am Saisonende auch auf dem Konto stünde, wäre ich gar nicht so unzufrieden. Das soll aber nicht heißen, dass wir bei perfektem Verlauf nicht auch noch weiter oben landen könnte. Ich glaube, wenn es gut läuft, können wir durchaus jede Mannschaft schlagen. Nächste Runde geht es aber erst einmal gegen Zugzwang, die sich für mich äußerst überraschend auf dem letzten Tabellenplatz wiederfinden. Durch unsere Niederlage letzte Saison sind wir dieses Mal aber gewarnt.