Keine Sensation gegen Baden-Baden
Die Schachfreunde treffen im Willy-Brandt-Haus auf die mit Abstand stärkste Mannschaft der Bundesliga. Angesichts der ELO-Übermacht an allen Brettern geht es im wesentlichen darum, sich gut zu verkaufen und für das morgige Match gegen Bayern München warmzuspielen. Die Mannschaften sind mit folgender Aufstellung angetreten:
Schachfr. Berlin 3½ : 4½ OSG Baden-Baden Melkumyan, Hrant ½ : ½ Kasimdshanov, Rustam Krämer, Martin 1 : 0 Bacrot, Etienne Schneider, Ilja 0 : 1 Vallejo Pons, Fr Piorun, Kacper ½ : ½ Naiditsch, Arkadij Dvirnyy, Daniyyl ½ : ½ Movsesian, Sergej Dr. Sprenger, Jan ½ : ½ Nielsen, Peter Heine Berndt, Stephan 0 : 1 Meier, Georg Baldauf, Marco ½ : ½ Philipp Schlosser
Nach zweieinhalb Stunden haben alle in ihre Partien gefunden, manche auch schon fast wieder raus. Optimistisch stimmt die Position von Kacper, der mit Weiß einen heftigen Druck auf den unrochierten König seines Gegners entfaltet. Nicht so gut steht Ilja, die übrigen Bretter haben in etwa gleichwertige Positionen. Allerdings ist der Bedenkzeitvorrat bei Daniyyl und besonders Stephan bedrohlich geschrumpft.
Im Analyseraum kommentiert Rainer Polzin die zeitversetzt übertragenen Partien. Viel sachkundiges Publikum aus allen möglichen Berliner Vereinen folgt den Ausführungen des GM, ergänzt bisweilen und diskutiert Varianten und Stellungen. Mancher glänzt mit profundem Theoriewissen (ein Dresdener (?) zu Nimzoindisch). Da werden Pläne geschmiedet und gleich mal am Analysebrett ausprobiert. So gut wie alle Plätze im Raum sind besetzt. Das Büffet, das der unermüdliche Marcus Gretzer aufgebaut hat, wird entsprechend dankbar angenommen. Hier merkt man mal wieder, was für ein tolles Pflaster Berlin für Schach-Happenings aller Art ist.
17 Uhr: Bei Jan Sprenger Remis an Brett 5 durch Zugwiederholung. Eine interessante Partie mit tollen taktischen Mittelspielideen nach dem Zug 10. Sbd2 (ein Zug, der den Theorie-Extrem-Auskenner Peter Heine Nielsen überraschte).
Iljas Partie nähert sich wie auch immer der Entscheidung. Beide Spieler haben ihr Turmbatterien auf der 2. bzw. 7. Reihe in Stellung gebracht. Gelingt Ilja die Abwicklung in ein remisliges Turmendspiel oder ein Dauerschach? Grundreihenmatt muss er nebenbei auch noch abwehren. Immerhin hat er sehr viel mehr Zeit als sein Gegner. Kacper baut seinen Vorteil immer weiter aus und quält seinen Gegner mit zahlreichen Drohungen. Marco Baldauf und Philipp Schlosser einigen sich auf Remis.
Plötzlich purzeln die Punkte, leider nicht zugunsten der Schachfreunde. Ilja verliert, sein Gegner Francisco Vallejo Pons spielt das technische Endspiel sauber nach Hause. Hrant und Kacper remisieren. Kacper ist nicht zufrieden, er stand klar besser. Dann verliert etwas überraschend Stephan. In Zeitnot gelang es seinem Gegner Georg Meier, die zunächst ausgeglichene Stellung durch aktives Spiel taktisch aufzuladen und aus lösbaren unlösbare Probleme zu machen.
Bewundernswert nach einer Niederlage: Ilja analysiert vor Auditorium zunächst sein Endspiel und die Gewinnführung seines Gegners, dann die ganze Partie - wirklich lehrreich für die Zuschauer. Schön auch sein Satz „Das Brett ist zu kurz“. Solchen gesunden Humor wünsche ich mir selbst nach verlorenen Partien.
19.15 Uhr: Nur noch zwei Partien laufen, es steht 2:4 für Baden-Baden. Doch Martin Krämer gegen Etienne Bacrot und Daniyyl Dvirnyy gegen Sergej Movsesian stehen deutlich besser, wenn nicht sogar auf Gewinn! Hippelig laufen die Mannschaftskameraden im Spielerbereich von einem Brett zum anderen und wieder zurück, den Fortgang der Ereignisse mitverfolgend. Niemand hätte geglaubt, dass gegen Baden-Baden so was wie Spannung aufkommen könnte.
Martin gewinnt! Daniyyl muss nun gewinnen, hat aber einen Bauern mehr und eine sehr aktive, bessere Stellung.
Daniyyl hat es leider nicht geschafft, die so greifbar nahe Sensation ist ausgeblieben. Wirklich schade, der Kampf geht knapp verloren.
Morgen geht es gegen Bayern München, die heute gegen Dresden ein Unentschieden erzielten.
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