Erwischt
Diesmal hat es die Fünfte erwischt. Wir haben eine sehr unglückliche, knappe Niederlage einstecken müssen, die mehrere Ursachen hatte. Zunächst waren wir nur zu siebt angetreten, dann gab es eine umstrittene Schiedsrichterentscheidung und dann gab es einen tragischen Helden Alihodzic. Hier die Geschehnisse im Einzelnen:
Brett 8: M. Hitzelberger (1)
Michael hat seinen Gegner in der Schlussphase der Partie auskombiniert. Mit Schwarz hatte er zunächst Initiative erzielt und mittels einer schönen Bauerngewinnkombination am Ende des Mittelspiels, die sowohl eigene als auch gegnerische Grundlinienmattgefahren berücksichtigen musste, seinen Gegner demoralisiert. In der Schlussstellung drohte er mit Springer und Turm wiederum Matt bzw. einen weiteren Bauerngewinn, was sich sein Gegner nicht mehr zeigen lassen wollte. Wie ich finde, wieder eine überzeugende Partieanlage unseres 8. Brettes.
Brett 7: J. Winkler (0)
Johannes kam mit Weiß in eine sehr gedrückte Stellung, wobei zu Beginn seiner Partie auch Schwarz Mühe hatte sich zu entwickeln. Es ist jedenfalls merkwürdig, dass Schwarz nur wegen einer leicht zu deckenden Drohung eines Bauerngewinns schon nach 4 Zügen als einzigen Entwicklungszug Da5 gespielt hatte. Ich will es mal so ausdrücken: Johannes ist in unserer Mannschaft der Spieler mit dem größten Entwicklungspotential. Ich denke, ein wenig Eröffnungstheorie, ein bisschen strategisches Verständnis und taktisches Sehvermögen könnten ihn locker um 300 DWZ-Punkte nach oben bringen. Ich finde, dass das machbar ist und für meinen Teil werde ich ihm Taktikmaterial zur Verfügung stellen, was mir persönlich geholfen hat, von 1600 auf 1800 DWZ zu kommen. Also nur nicht den Mut verlieren.
Brett 6: Dr. R. Bullig (½)
Reinhard hatte mich gefragt, ob er das Remisangebot seines Gegners annehmen solle. Ich habe dem sofort zugestimmt, weil ich zu diesem Zeitpunkt schon sehr gut abschätzen konnte, dass wir diesen Mannschaftskampf nicht mehr verlieren konnten und dieses Remis uns zu einem Unentschieden oder sogar Sieg verhelfen wird. Sicher hätte Reinhard weiter spielen können, aber mein Eindruck war, dass er einige Züge zuvor etwas besser stand als zum Zeitpunkt des Angebots. Aber sei´s drum. Es ist kein Beinbruch, gegen einen in etwa gleichstarken Gegner Remis zu spielen.
Brett 4: S. Prix (½)
Auch Siegfried hatte mich gefragt, ob er das Remisangebot seines Gegners annehmen solle. Dies erfolgte jedoch eine halbe Stunde vor Reinhard. Auch dem habe ich sofort zugestimmt, weil es bereits aus meiner Sicht ein Erfolg war, einem 150 Punkte stärkeren Gegner ein Remis abzuknöpfen. Außerdem hatte Siegfried wieder einen Zeitnachteil von ca. 30 Minuten und ich hatte ehrlich gesagt nicht das Vertrauen, dass Siegfried mehr als ein Remis gegen seinen Gegner schaffen würde. Dieser halbe Punktgewinn gab mir die Zuversicht, dass wir diesen Mannschaftskampf ungeschoren überstehen.
Eberhard hat eine sehr schöne Angriffspartie gegen den Schiedsrichter geführt und mit einem unwiderstehlichen Turmopfer am Königsflügel unseren ersten vollen Punkt erzielt. Hier die entscheidende Position zum Nachspielen bzw. Selbstdurchrechnen
Ich würde mir wünschen, dass Eberhard öfter für uns spielt, insbesondere, wenn solch schönen Partien dabei rauskommen.
Brett 2: A. Bader (½)
Ich selbst habe dieses Remis erzielt, weil ich ziemlich genervt war und ich mich nicht mit Ärger an´s Brett setzen wollte. Sprich: gespielt habe ich nicht, sondern das Remis angeboten, worauf mein Gegner dann auch schuldbewusst eingegangen ist. Was war passiert ? Wie ihr wisst, gibt es eine Karenzzeit bis 9:30 Uhr, die bei Nichterscheinen des Spielers mit Verlust gewertet wird. Mein Gegner erschien nicht um 9:30 Uhr, sondern abgehetzt um 9:31 Uhr und wer meinen Uhr- und Zeittick kennt, der weiß, dass meine Uhren immer sekundengenau funktionieren und ich Recht hatte, auf einen vollen Punkt zu reklamieren. Ich bin mir sicher, dass bei professionellen Schachveranstaltungen, wie ich sie zum Beispiel in Moskau erlebt habe, die Schiedsrichter unerbittlich gewesen wären. Wenn allerdings der Schiedsrichter Teil der gegnerischen Mannschaft ist und sogar noch hinter seinem Mannschaftskollegen nach Beginn Wettkampfes hinterher telefoniert, wobei Handys ja nicht erlaubt sind, dann kann er auch behaupten, dass mein Gegner „3 Sekunden“ vor Ablauf der Karenzzeit anwesend war. Ich empfehle, dass in Zukunft eine Uhr um 9:00 Uhr durch den Schiedsrichter in Gang gesetzt wird, die die verbleibende Karenzzeit anzeigt. Und fällt auf dieser Uhr das Plättchen, ist eben keine Diskussion möglich, vergleichbar wie der Verlust einer Partie aus Zeitnot.
Brett 1: A. Alihodzic
Höhepunkt der tragischen Ereignisse war die Partie von Ahmo, die als letzte beendet wurde. Bis kurz vor Schluss waren sich alle zumindest in dem Punkt einig, dass Ahmo diese Partie nicht verlieren kann. Reinhard, Siegfried und ich waren sogar der Meinung, dass er sie gewinnen könne, Eberhard war da skeptischer. Was war also los? Aus meiner Sicht hatte Ahmo bis zum Ende des Mittelspiels eine ereignislose, ja sogar langweilige Partie gespielt. Ahmos Gegner hatte zu diesem Zeitpunkt Remis angeboten, was aus meiner Sicht auch völlig in Ordnung war.
Ahmo hatte jedoch einen Springer in einer halbwegs geschlossenen Stellung, der sich dem schwarzfeldrigen Läufer seines Kontrahenten etwas überlegen darstellte, weil er die Schwachstelle der schwarzen Stellung, den Bauern c6, angreifen konnte. Ahmo hatte dies sehr gut erkannt und durch planvolle Springerzüge, die von der eigenen Grundreihe bis nach a5 führten, auch umgesetzt. Nach Abtausch der beiden Leichtfiguren blieb Ahmos aktiver Turm gegen einen passiven, den Bauern c6 deckenden schwarzen Turm, auf dem Brett. Schwarz befand sich nahezu in einer Zugzwangstellung, die zwangsläufig dazu führte, dass er seine Königsflügelbauern nach vorne spielen musste. Meiner Meinung nach war es möglich, mindestens einen dieser Bauern zu gewinnen und sich dann wieder auf die Schwäche c6 zu konzentrieren, zumal wenn diese fallen würde, sich ein Freibauer von c5 aus dem Umwandlungsfeld nähert. Ich glaube auch, dass Ahmo nicht gesehen hat, wie es möglich war, den c6-Bauern zu gewinnen. Ich vermag aber nicht zu sagen, ob das die siegreiche Strategie gewesen wäre. Ich persönliche hätte mich um einen oder 2 Bauern meines Gegners am Königsflügel gekümmert, um dann c6 wieder als Schwäche zu markieren. Sicher, einen Bauern hätte ich dabei selbst ins Geschäft stecken müssen, aber verloren war die Partie damit nie. Ahmo verlor leider den bis dahin sehr gut gespielten Partieendspielfaden. Die nahezu völlige Spiellähmung des Schwarzen wurde durch einen selbst initiierten Bauerntausch am Königsflügel aufgehoben, ein schwarzer g-Bauer kam ins Laufen und war dann an der Umwandlung nicht mehr zu hindern.
Die letzten 3, 4, 5 Züge waren einfach nicht gut, zumal eine abwartende Spielführung möglich und angesichts der Zeitnot seines Gegners die bessere Wahl gewesen wäre. Doch Schach ist eben ein grausames Spiel und wer von uns hat eine sicher gewonnene oder remisliche Partie nicht doch noch vergeigt ?!
© Arnd Bader