Acht Entscheidungen
Nicht weniger als acht entschiedene Partien gab es an diesem Sonntag im Kampf Schachfreunde 4 gegen Zitadelle Spandau 2.
Leider die wenigsten davon auf unserer Seite, was für mich umso überraschender ist, als ich uns im Vorfeld als favorisiert angesehen hatte - auch die Aufstellung spricht eine deutliche Sprache.
Ausgerechnet die beiden Bretter mit den geringsten DWZ-Vorteilen gewannen, sieht man einmal von Fritjof ab, der der einzige mit einem DWZ-Nachteil war. Aber an diesem Tag lief es einfach nicht. Es war eine deprimierende Leistung und Erfahrung für die Mannschaft. Eine Erklärung habe ich nicht. Jetzt weiß ich in etwa, wie sich die Bremer gegen die Schachfreunde in der Bundesliga gefühlt haben müssen (aber die konnten es immerhin auf den Aronjan-Effekt TM schieben). Aber was soll´s. Hoffentlich können wir uns in der nächsten Runde zusammenraufen. Nach nur 2 Wochen Rekonvaleszenzzeit geht es am 13.11 gegen Treptow weiter.
SF Berlin 1903 IV (ø 1931) 2:6 SC Zitadelle Spandau 1977 II (ø 1874)
Kai-Stephan Kussatz (1996) 1:0 Reinhard Giese (1996) Abdelkerim Krichi (2036) 0:1 Marko Perestjuk (1960) Wolfram Burckhardt (2000) 1:0 Stefan Schmidt (1956) Mark Müller (1998) 0:1 Bernd Kievelitz (1899) Fritjof Wolf (1832) 0:1 Winfried Zaeske (1891) Rainer Dambach (1888) 0:1 Tony Schwedek (1748) Michael Stieber (1890) 0:1 Eduardo Olivares (1793) Udo Lechtermann (1811) 0:1 Jürgen Basta (1749)
Als ich bei Kai Stephan Kussatz zum ersten Mal aufs Brett blickte, war eine für ihn ungewöhnlich scharfe Stellung entstanden. Die Bauernstruktur war unsymmetrisch und mir war völlig unklar, wer hier eigentlich besser steht. Er opferte temporär einen Bauern, um anschließend den weißen Bauern f2 aus der Stellung zu schrauben. Danach war dem weißen König etwas unwohl und Kai Stephan konnte einen feinen Sieg einfahren.
Bei Abdelkerim Krichi kam eine lange theoretische Drachenvariante aufs Brett, die sein junger Gegner chinesisch mit Db8 behandelte. Aber es ging für keine Seite richtig vorwärts und in einem dem Anschein nach total ausgeglichenen Läuferendspiel traf Karim eine äußerst bemerkenswerte Entscheidung, indem er seine Bauern auf die Farbe seines Läufers stellte. Durch feine Zugzwangmotive ging einer der 3 verbliebenen Bauern verloren und ebenso das Endspiel.
Wolfram Burckhardt sprach in Zusammenhang mit seiner Partie von einer Caro-Kann-Musterpartie. In einer noch längeren klassischen Theorievariante erwies sich der weiße Bauer h5 im Endspiel als durchaus schwach und auch am Damenflügel war zunächst nicht viel zu holen für den Weißen. Als er dann dort eine Bauernmehrheit erlangte, erwies diese sich angesichts zweier verbundener schwarzer Freibauern auf dem Königsflügel als irrelevant. Bei Wolfram macht es immer Spaß zuzuschauen und fast könnte man meinen, er sei etwas zu stark für diese Klasse.
Selbiges kann man von mir sicher nicht behaupten. Ich stand die ganze Partie komplett neben mir, verwechselte in der Eröffnung früh in der Haupt-Hauptvariante die Züge, gewann einen Bauern (bzw. mein Gegner opferte ihn für Initiative) und brachte irgendwann in gefühlt sehr schwieriger Stellung (der Computer ist happy, as always) ein Qualitäts- + Bauernopfer für positionelle Kompensation, das entweder total brillant oder total idiotisch war. Sehr vermutlich letzteres, was meinem Gegner half, in ein einfach gewonnenes Endspiel mit Mehrqualität zu gelangen. Dabei stellte er sich extrem ungeschickt an, was aber kein Problem ist, wenn man gegen mich spielt. Denn nachdem ich tatsächlich eine Remisstellung erreicht hatte, stellte ich zwei Figuren für einen Turm ein und mit Minusfigur blieb mir als bester Zug der gesamten Partie die Aufgabe.
Fritjof Wolf
Bei Fritjof Wolf trat ebenfalls eine asymmetrische Materialverteilung auf, da sein Gegner zwei Figuren für Turm und zwei Bauern opferte. Die Stellung war laut Computer im dynamischen Gleichgewicht, aber meiner Meinung nach schwieriger zu spielen für Fritjof aufgrund seiner geschwächten Königsstellung, der schwachen weißen Felder und den mächtigen Türmen auf der e-Linie.
Immerhin fand er aber eine ordentliche Aufstellung insbesondere für seine Springer, die sich irgendwann auf e4 und e5 tummelten. Unmittelbar nach der beiderseits etwas ungenau vorgetragenen Zeitnotphase unterlief ihm aber der entscheidende Fehler, mit dem er eine Figur einstellte.
Michael Stieber geriet im Königsinder, in dem man in dieser Variante wie so oft einfach um jeden Preis nach aktiven Gegenmaßnahmen suchen muss, in eine sehr passive Stellung und konnte sich nie daraus befreien. Sein Gegner nutzte seine totale Stellungskontrolle schließlich zum Gewinn einer Figur und nach überstandener Zeitnot auch der Partie.
Rainer Dambach merkte man leider die mangelnde Spielpraxis an. In der Eröffnung gelang es Schwarz schon bald, die Initiative zu übernehmen und nach einem Einsteller Rainers die Qualität zu gewinnen. Es gab zwar noch erbitterten Widerstand, der aber auch nichts mehr ändern konnte. Da ich aber weiß, wie sauer Rainer nach solchen Geschichten ist, äußere ich jetzt schon mal Mitleid mit seinem nächsten Gegner.
Udo Lechtermann musste mit Weiß ran. Unangenehm. Aber es gelang ihm, eine recht aussichtsreiche Stellung zu erreichen, indem auch er Turm gegen zwei Leichtfiguren gewann. Als Bonus gab es aber noch drei Bauern obendrauf, was die ganze Sache doch recht vorteilhalft gestaltete. In Zeitnot aber geschahen unerhörte Dinge, Bauern fielen schneller als Eintagsfliegen „morgen“ sagen können und übrig blieb ein wohl remisliches Endspiel mit Qualität gegen zwei Bauern. Leider waren es zwei verbundene Freibauern und irgendwie fand Udo kein Mittel, ihren Vormarsch zu stoppen und musste mit ihrer Verwandlung gleichzeitig die Niederlage eingestehen. Gut angelegte Partie mit Vorteil, aber diese Zeitnot …!!