Eng umkämpft - der Tag der 3:3 Schachfreunde Neukölln erwartungsgemäß im Mittelfeld
Die Zeit der leichten Siege ist vorbei. Wahrscheinlich wird die von den Schachfreunden Neukölln erteilte Höchststrafe gegen die Waliser das einzige 6:0 im Turnier bleiben. Nun treffen überwiegend gleichstarke Teams aufeinander. Zwar konnten sich einige Mannschaften mit hohen Tagessiegen an die Spitze spielen - die Dänen von Helsinge Skakkclub fertigten die Norweger von SK Randaberg ebenso 5:1 ab, wie die Ungarn von Csuti Antal die Finnen von Joensuu Chess Club und die Israelis aus Beer Sheva das Prager Team von Holdia HD -, doch viele Begegnungen sind heißer umkämpft.
Erfreulichste Neuerung des Tages war die Ausquartierung von sechs Begegnungen in den ursprünglichen Analyseraum, wodurch die Post-mortem-Betrachtungen unter griechischer Sonne auf dem angrenzenden Balkan mit Seeblick stattfinden. Werder Bremen und die Schachfreunde Neukölln dürfen jedoch weiterhin im klimatisierten Konferenzraum antreten. Die Hansestädter hatten mit Merkur Graz eine harte Nuss zu knacken. Nach einem 2,5:2,5 um die fünfte Stunde treibt die Seeschlange zwischen Lars Schandorff, dem Dänen in Bremer Diensten, und Thomas Luther, dem Deutschen bei Graz, - trotz Bauernminus - auf ein Remis zu. Rainer Knaak, der am Vortag mit zäher Verteidigung eine schlechtere Stellung abklammerte, vergab den Mannschaftssieg, da ihn mit Mehrqualität Stefan Kindermanns Bauernmasse erdrückte.
Auch die fast legionärlose Begegnung der Hauptstädter war intensiv umkämpft. Mit identischem Wertungszahlendurchschnitt war der Endstand von 3:3 gegen die fünf Israelis und einen Russen von Herzlia Chess Club exakt das erwartete Resultat. Der Weg dahin gestaltet sich allerdings steinig - zumal an den ersten vier Brettern Großmeister mit Elo-Zahlen zwischen 2548 und 2443 sassen. Am Spitzenbrett stellte Stephan Berndt bereits in der Vorbereitung fest, dass Dov Zifroni mit Weiß alle gängigen Eröffnungen solide spielt. Die entstandene englische Verteidigung gefiel ihm allerdings nicht recht. Nach dreieinhalb Stunden und 23 Zügen erhielt der Jura-Student die Genehmigung, das Remisangebot zu akzeptieren.
An den anderen Brettern tobte derweil der Kampf und jede Partei konnte auch den Teamsieg hoffen. Rainer Polzin legte die selten gespielte Ungarische Partie auf Gedeih und Verderb im Gewinnsinn an. Zwar konnte Yakov Zilberman seinen Turm auf b2 platzieren, doch die weißen Leichtfiguren und die Dame orientierten sich - unter Preisgabe zweier Bauern - in Richtung König. Doch die Zeitnot ist in diesem Turnier bislang in den Duellen des Rechtsanwalts ständig präsent. Diesmal ging es nicht gut - Abtausch um Abtausch gewann das materielle Übergewicht an Bedeutung. Nach der Zeitkontrolle focht er einen verlorenen Kampf.
Gut, dass wir an diesem Tag einen „neuen“ Dirk Poldauf in unseren Reihen hatten. Gegen den bekannten ex-sowjetischen Jugendtrainer Avigdor Bykhovsky kam zwar eine Englische Partie zustande, aber nach der Qual von zwei Turmendspielen schien ein „e4-Kampfgeist“ in den Schachjournalisten gefahren zu sein. Grosse Rochade, Bauernsturm am Königsflügel, Postierung des Läufers via f1-h3-f5 gegen die kurze Rochade und Massierung der schwarzen Schwerfiguren in der c-Linie machten dem Russen das Leben schwer. In Zeitnot kombinierte der Schachjournalist nach Belieben - sicher zu viel für Bykhovsky, der anschließend wortlos das Angebot zur Analyse ablehnte. Dirk schob jedenfalls bei unserem Stammgriechen in Panormo die Steine locker über das Magnettaschenschachbrett.
Komplexer war da ein Turmendspiel von Henrik Rudolf. Der Rostocker Fide-Meister war diesmal das Sorgenkind. Ein Caro-Kann-Panov endete in einem Endspiel mit allen Schwerfiguren, allerdings bildete - wie so häufig - der Bauer c3 die Schwäche im weißen Lager. Es gelang zwar, im Turmendspiel den weißen Bauer nach a7 zu bringen, doch die Bauernmajorität am Königsflügel ließ die Hoffnungen schwinden. Zwar reduzierte sich die Zahl der Bauern nach und nach, aber mit restlichen 2:1-Bauern sorgte der aktivere König für den vollen Punkt. Diese Partie endete zuletzt, als die Berliner bereits einen 3:2-Vorsprung erspielt hatten.
Die beiden Königindisch-Freaks, Martin Borriss und Lars Thiede, konnten sich aus anfänglicher Umklammerung befreien und kurvten mit den Figuren in den weißen Stellungen herum. Ideenreich opferte Martin einen Bauern für die Initiative. Nach dem Rückgewinn gingen beide Parteien auf „Fressen“ aus. Leider reichte der einzig verbliebene Bauer im Endspiel mit Türmen und weißer Springer gegen schwarzer Läufer nicht aus, mehr als ein Remis zu sichern. Da war es wichtig, dass Lars nach mindestens vier schwachen Zügen seines Gegners auf den schwarzen Einbruchsfeldern dominierte. Mit über 100 Elo-Punkteplus scheuchte er den König des einzigen Titellosen im israelischen Team quer über das Brett - Figurenspiel ganz nach Laune des Königsinders. In der Analyse stellte sich heraus, dass der Gegner die Systeme unseres Brett fünf zwar gut studiert hatte, aber im Mittelspiel riss dann der Faden. Am Ende des Tages dürfte das 3:3 ein gerechter Ausgang gewesen sein. Die Neuköllner stehen derzeit im Mittelfeld - genau da, wo sie in der Wertungstabelle gesetzt sind. Mit Cercle des Echecs Gambit Bonnevoie aus Luxemburg wartet in Runde vier ein schlagbarer Gegner.
An der Spitze sind nur noch zwei Mannschaften ohne Punktverlust: Bosna Sarajevo und Norilsky Nikel. Letztere landete im Duell der Elo-Schwergewichte mit einem Mannschaftsdurchschnitt von über 2600 bereits einen „big point“, da sie Polonia Warschau mit 4,5:1,5 in die Schranken verwiesen. Das Unheil nahm seinen Lauf, als Alexander Grischuk Jewgeni Barejew in nur zwei Stunden abfertigte. Die anderen beiden russischen Mitfavoriten stolperten beide. St. Petersburg erreichte nur ein 3:3 gegen das urkrainische Donbass, da Viktor Kortschnoi gegen Gregori Timoschenko unterlag und Peter Swidler erneut nur ein Remis schaffte. Vielleicht war es ein Fehler, Alexander Chalifman erneut zu schonen. Gavozik trennte sich vom bosnischen Vertreter Kiseljak ebenfalls unentschieden: Viktor Bologan zog dabei am Spitzenbrett gegen Zurab Azmaiparashvili den kürzeren. Das Motto der nächsten vier Tag steht fest: Kämpfen, kämpfen, kämpfen.
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