Irrungen und Wirrungen

von am 16. April 2012 in 2. Mannschaft, SFB2 Saison 2011/12, Teams

Irrungen und Wirrungen

Glücklich aber nicht unver­dient konnte die 2. Mannschaft der SF Berlin in der Schluss­runde der Oberliga Nord-Ost gegen den Schachclub Weisse Dame gewinnen. Das 5-3 sieht zwar deutlich aus, aber in vielen Partien schwang das Pendel in der Zeitnot­phase doch ziemlich hin und her - insbe­sondere der Bericht­erstatter weiß ein Lied davon zu singen. Insgesamt glichen sich die gegen­sei­tigen Geschenke aber wohl aus, so dass hiermit unsere „Flügel­zange“ Jan Wendt an Brett 1 und Elmar Grosse-Kloenne an Brett 8 mit ihren jeweils souve­ränen Siegen zu Match­winnern ernannt werden.

Jan spielte am Spitzen­brett gegen Hans-Joachim Waldmann eine unkon­ven­tio­nelle Variante gegen die Hollän­dische Vertei­digung (Lg5xf6 nebst Sc3 und e4). Als neben dem schlechten weißfeld­rigen Läufer und einer zerrüt­teten Königs­stellung auch noch ein Minus­bauer hinzu kam, war die schwarze Stellung nicht mehr lange zu halten.

Elmar vertei­digte sich mit der Igel-Variante. Probleme hatte er nie. Langsam konnte er selber Druck erzeugen. Aber vor allem auf der Uhr hatte er immensen Vorteil. Wie er ihn konkret verwirk­licht hat, habe ich nicht mitbe­kommen.

Seriöse“ Partien lieferten auch Sigi Weber an Brett 3 gegen Cord Wischhoefer und Rauno Jarvinnen an Brett 7 gegen Alexander Kysucan ab, die mehr oder weniger schnell Remis endeten.

Kommen wir nun zu den jugend­ge­fähr­denden Partien, die nach diversen Glücks­spiel­pa­ra­graphen eigentlich nicht veröf­fent­licht werden dürften.

An Brett 5 zwischen Stefan Brett­schneider und Ingo Abraham kam es zu einem Damen­end­spiel mit jeweils 5 Bauern.  So ziemlich jeder passive Zug von Schwarz hätte die Partie remis gehalten. Ingo wollte aber aktiv spielen und berechnete eine zweizügige Dauer­schach­va­riante mit Bauern­opfer. Das Problem: der zweite Zug sollte Da1-f4+ sein! Ein klassi­scher Blackout. Wie sagte Bretti nach der Partie: Immer, wenn seine Stellungen ausge­glichen waren, hat er gewonnen. Als er seiner Meinung einmal gut stand, hat er verloren. Zum Glück stand er diese Saison nur einmal gut. Mit 7 aus 8 eine Riesen­saison für Stefan.

Den geschenkten halben Punkt lieferte Robert Glantz an Brett zwei gegen Hendrik Moeller aber gleich wieder ab. In einer Fianchetto-Variante des Königs­inders stand Robert im damen­losen Mittel­spiel ziemlich bequem, in Zeitnot stellte er aber die Partie ein.

Gut bis sehr gut stand auch Christian Kurz gegen Thorsten Gross. Wie genau es zur Null kam, kann ich nicht sagen, da ich mit meiner eigenen Katastrophe beschäftigt war.

Gegen Kai-Gerrit Venske kam es bereits in der Eröffnung zu einem „Psycho-Duell“. In über 95% der in Daten­banken auffind­baren Partien spielt Kai 1.e4. In den seltenen Ausnahmen kam es zu einer Art von Damen­bau­ern­spiel (Trompovsky, Weresow-Angriff). Und gegen 1....e5 (mein Stammzug) kommt es zu 99% zum Königs­gambit! Nun wird ihn mein Auftauchen am 4. Brett überrascht haben (Joachim Wintzer und Jan Lundin konnten nicht spielen) und wahrscheinlich fürchtete er (zu Recht) eine besondere Vorbe­reitung. Also 1.d4!

Als Gegen­maß­nahme hatte ich mir aber meinen alten Zug 1...d5 zurecht gelegt, gegen den die Damen­bau­ern­spiele deutlich weniger Biss haben als gegen 1... Sf6. Doch dann zu meiner Überra­schung 2.c4! Im Endeffekt landeten wir in der Meraner Variante des Slawi­schen Damen­gambits - damit hatten wir vorher wohl beide nicht gerechnet.

Es entstand ein ziemlich scharfes Mittel­spiel, das wir beide völlig unter­schiedlich einge­schätzt hatten. Ich war der Meinung, den weißen Angriff zurück­zu­schlagen und dann Vorteil zu haben, Kai dachte, sein Angriff würde durch­schlagen. Ein sofor­tiges Läufer­opfer auf g6 hätte auch nicht durch­ge­schlagen. Der „Zwischenzug“ Lf5 gab mir aber die Chance, fehlzu­greifen, welche ich auch sofort ergriff! Den angegrif­fenen und gefes­selten Springer auf d7 konnte ich mit Tc7 oder Td8 decken. Aus „allge­meine Erwägungen“ zog ich Tc7, um gleich­zeitig auch die 7. Reihe zu vertei­digen.

Dummer­weise ging nun Lxg6, weil in einer entschei­denden Variante mein Turm auf e8 nun nicht mehr gedeckt war. (Zur Vollstän­digkeit: nach Td8 kommt es zum General­ab­tausch, nach dem Weiß mit präzisem Spiel die Stellung im Gleich­ge­wicht halten kann.) Plötzlich hatte ich einen Bauern weniger und der Angriff ging weiter. Ein zweiter Bauer folgte, dafür konnte ich die Damen tauschen. Dann begann das Gezocke.

Mit einem Quali­täts­opfer zerstörte ich (teilweise) die weiße Bauern­struktur, aktivierte mein Läuferpaar und drohte einen mächtigen Freibauern zu schaffen. Kai wählte die sichere Methode, gab die Qualtiät zurück und verblieb mit zwei Mehrbauern, die meine aktiveren Figuren auch nicht annährend kompen­sierten. Das Drama dann im 39.  Zug. Vor einer Ruine sitzend suchte ich verzweifelt nach irgend­welchen letzten Mogel­chancen, als ich aus den Augen­winkeln gewahr wurde, dass ich nur noch 3 Sekunden auf der Uhr hatte . Schnell Td3 aufs Brett geworfen und hoffen, dass da noch irgendwas geht.

Was ging, war die Uhr von Kai. Obwohl doch Txd3 der einzige Zug ist, versuchte er wohl das entste­hende Leicht­fi­gu­renend­spiel exakt durch­zu­rechnen. Erst bei gefühlten 0,5 Restse­kunden bemerkte er die Uhr und schaffte es nicht mehr, den Zug auszu­führen. Zeitüber­schreitung in Gewinn­stellung in Zeiten des Increment kommt auch selten vor.

Hier das Drama zum Nachspielen:

Mit 10 Mannschafts­punkten landeten die Schach­freunde damit auf dem 5. Platz der Oberliga. Nachdem es zu Beginn nach einem Dreikampf mit Kreuzberg und Rüderdorf um den Aufstieg aussah, ging es nach den Nieder­lagen im direkten Vergleich noch fast gegen den Abstieg. Im Endeffekt eine durch­wach­senen Saison.

 

 

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