Unter Haien

von am 23. Dezember 2011 in Planet Schach

Unter Haien
Wladimir Kramnik und Garri Kasparow analysieren in Linares im Jahr 2000 ihre Partie. Im Hintergrund: Leontxo Garcia (El País), Kramniks Sekundant Miguel Illescas (sitzend), Dirk Poldauf (Schach), Dirk Jan ten Geuzendam (New in Chess), Malcolm Pein (The Week in Chess) und Kasparows Sekundant Juri Dochojan. Foto: privat

Nicht nur Magnus Carlsen, auch Hikaru Nakamura hat inzwi­schen mit Garri Kasparow trainiert. Nun hat sich der US-Star während der London Chess Classics unbekümmert in das publi­zis­tische Haifisch­becken begeben.

Im Gespräch mit Daniel King sagte Nakamura:

I mean you look at middle­games or endgames and I’m quite convinced there are other players who are better than he was, but he was able to get advan­tages out of the openings so that was his main strength.”

(Ich meine, betrachten Sie die Mittel­spiele oder Endspiele, und ich bin mir ziemlich sicher, es gibt andere Spieler die besser waren als er. Aber er war in der Lage, Vorteile aus der Eröffnung zu bekommen, das war seine Haupt­stärke.)

Nicht nur bei Chess­vibes sorgte dies für Diskus­sionen unter den Lesern, als der Autor Arne Moll Kasparows neues Buch „Garry Kasparov on Garry Kasparov Part 1: 1973-1985“ rezen­sierte und beiläufig das Nakamura-Zitat brachte. Das Publikum reagierte aufge­bracht: Darf Hakamura so etwas sagen? Wieso eigentlich nicht? Stimmt das überhaupt? Und so weiter. Einer der beson­nendsten Kommentare in der überhitzten Diskussion stammt von „Shane“:

Why would you write that? Nakamura was simply answering a question live in the LCC when he said that, without giving it too much thought. It probably wasn’t meant to be disre­spectful, and regardless, it was his opinion.“

Nun hat Michael Greengard, publi­zis­ti­scher Wegbe­gleiter Garri Kasparows, vor einigen Tagen via Twitter gefragt, ob irgend­jemand noch eine Frage an die einstige Nummer eins hätte, bevor dieser sich der Politik wegen nach Moskau aufmacht. Wir hatten, und fragten nach Kasparows Reaktion auf Nakamuras Bemerkung.

Kasparow antwortete postwendend:

Happy to let my games speak for me for now. Start looking on move 20 if you like!“

(„Zum Glück kann ich nun meine Partien für mich sprechen lassen. Beim Betrachten kann man auch mit dem 20. Zug beginnen, wenn man mag.“)

Selbst­ver­ständlich hat Nakamura als einer der vornehm­lichsten Vertreter der Laptop-Generation das Recht auf eine eigene Ansicht, und bestimmt wäre es inter­essant gewesen, das Thema einmal mit Botwinnik zu erörtern. Kasparows erfri­schende Replik erinnert indessen an das Zeitalter Muhammad Alis und Joe Fraziers, und es freut doch immer wieder, so einen zupackenden Schwung zu erleben in der Anrede unter Schach­spielern, die gern mal etwas verdruckster sind. Aussa­ge­kräftig war aber auch der erste Sieg eines US-Profis gegen einen amtie­renden Weltmeister seit Äonen.


 

Im Web:
Partien vom London Chess Classic via TWIC
Nakamura kommen­tiert seine Partie gegen Aronian (YouTube)

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