Unter Haien
Nicht nur Magnus Carlsen, auch Hikaru Nakamura hat inzwischen mit Garri Kasparow trainiert. Nun hat sich der US-Star während der London Chess Classics unbekümmert in das publizistische Haifischbecken begeben.
Im Gespräch mit Daniel King sagte Nakamura:
“I mean you look at middlegames or endgames and I’m quite convinced there are other players who are better than he was, but he was able to get advantages out of the openings so that was his main strength.”
(Ich meine, betrachten Sie die Mittelspiele oder Endspiele, und ich bin mir ziemlich sicher, es gibt andere Spieler die besser waren als er. Aber er war in der Lage, Vorteile aus der Eröffnung zu bekommen, das war seine Hauptstärke.)
Nicht nur bei Chessvibes sorgte dies für Diskussionen unter den Lesern, als der Autor Arne Moll Kasparows neues Buch „Garry Kasparov on Garry Kasparov Part 1: 1973-1985“ rezensierte und beiläufig das Nakamura-Zitat brachte. Das Publikum reagierte aufgebracht: Darf Hakamura so etwas sagen? Wieso eigentlich nicht? Stimmt das überhaupt? Und so weiter. Einer der besonnendsten Kommentare in der überhitzten Diskussion stammt von „Shane“:
„Why would you write that? Nakamura was simply answering a question live in the LCC when he said that, without giving it too much thought. It probably wasn’t meant to be disrespectful, and regardless, it was his opinion.“
Nun hat Michael Greengard, publizistischer Wegbegleiter Garri Kasparows, vor einigen Tagen via Twitter gefragt, ob irgendjemand noch eine Frage an die einstige Nummer eins hätte, bevor dieser sich der Politik wegen nach Moskau aufmacht. Wir hatten, und fragten nach Kasparows Reaktion auf Nakamuras Bemerkung.
Kasparow antwortete postwendend:
„Happy to let my games speak for me for now. Start looking on move 20 if you like!“
(„Zum Glück kann ich nun meine Partien für mich sprechen lassen. Beim Betrachten kann man auch mit dem 20. Zug beginnen, wenn man mag.“)
Selbstverständlich hat Nakamura als einer der vornehmlichsten Vertreter der Laptop-Generation das Recht auf eine eigene Ansicht, und bestimmt wäre es interessant gewesen, das Thema einmal mit Botwinnik zu erörtern. Kasparows erfrischende Replik erinnert indessen an das Zeitalter Muhammad Alis und Joe Fraziers, und es freut doch immer wieder, so einen zupackenden Schwung zu erleben in der Anrede unter Schachspielern, die gern mal etwas verdruckster sind. Aussagekräftig war aber auch der erste Sieg eines US-Profis gegen einen amtierenden Weltmeister seit Äonen.
Im Web:
Partien vom London Chess Classic via TWIC
Nakamura kommentiert seine Partie gegen Aronian (YouTube)
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