Wie wird rochiert?
Wieder mal ein Schach- und Besuchswochenende in Dresden. Diesmal spielen die Schachfreunde im Rathaus in der Dresdner Innenstadt und nicht wie sonst in Meißen. Die Schreiberin trudelt gemächlich im Laufe des Nachmittags ein und ist ganz begeistert vom feinen Spiellokal. Große Schachfiguren weisen den Weg die imposante Marmortreppe hinauf in den Spielsaal. Ein Treppenhaus mit bemalter Kuppel! Mannschaftsleiter Lars - wir kennen uns lange genug - wirkt besorgt. „Das ist kein Spiel auf ein Tor. Eigentlich wollen wir den Kampf doch gewinnen!“. Kein Wunder, sind die Schachfreunde doch - vor allem an den vorderen Brettern - klar favorisiert. Aber Geduld, abgerechnet wird zum Schluss.
Es zeigt sich, dass Emil Schmidek mit Weiß wirklich schlecht steht, wenn nicht auf Verlust, Ilja Schneider auch nicht gut, Kacper Piorun und Jacek Tomczak stehen nicht standesgemäß klar besser. Wenigstens Dennes Abel hat fast eine Gewinnstellung nach einem für die Bundesliga unglaublichen Vorfall, der mit der Überschrift dieses Beitrags zu tun hat. Doch dazu später. Erst mal den Mantel ablegen, einen Kaffee finden und einen ruhigen Platz für das Notebook.
In folgender Aufstellung wird gespielt:
Schachfreunde Berlin 5½ : 2½ SV Hofheim Piorun, Kacper ½ : ½ Schröder, Jan-Christian Mista, Aleksander 1 : 0 Ginsburg, Gennadi Tomczak, Jacek 1 : 0 Perske, Thore Schneider, Ilja ½ : ½ Lobshanidze, Davit Schreiner, Peter ½ : ½ Gurevich, Vladimir Abel, Dennes 1 : 0 Margolin, Boris Seyb, Alexander ½ : ½ Zude, Arno Schmidek, Emil ½ : ½ Brendel, Oliver
Alle Partien können hier nachgespielt werden:
http://schachbundesliga.de/liveportal
Fast 4 Stunden sind gespielt und es steht 2:2 nach Remisen an den Brettern 1, 4, 5 und 7. Niemand wirkt unzufrieden darüber. Wie läuft es an den verbliebenen Brettern? Nachdem ich noch vor ein paar Minuten keinen halben Euro mehr auf Emils Stellung verwettet hätte, hat er zwischenzeitlich mit einem taktischen Schlag (29. Lxg6!) seinem Gegner einen Bauern abgenommen und ihm dazu einen Adrenalinstoß verpasst. Sowas sitzt, der erfahrene Gegner ist sichtlich verdutzt. Emil ist wieder im Spiel!
Dennes hat nun auch gewonnen, der Sieg hatte sich schon länger abgezeichnet. Zwischendurch musste er seinem Gegner beibringen, wie man rochiert. Dieser hatte nämlich zuerst den Turm bewegt (Th8-f8?) und ihn dort losgelassen. Danach nahm er den König, um ihn nach g8 zu stellen. Dennes protestierte regelgerecht, der Gegner wollte dies jedoch nicht akzeptieren. Der Schiedsrichter musste erst kommen und anhand der elektronischen Übertragung das Geschehen nachvollziehen. Er gab Dennes Recht und nun stand der schwarze Turm auf f8 und der König blieb in der Mitte. Die Stellung fortan war eine Strafe, und Dennes ließ auch keine Luft mehr ‘ran.
Jacek gewinnt auch, kurz danach auch Aleksander, und der doch klare Mannschaftssieg steht fest. Lars strahlt. Emil spielt immer noch, und er hat - wie alle hier meinen - gute Remischancen. Große Klasse, wie er den Mut nicht verloren und taktisch gefährlich geblieben ist, auch als er nur noch wenige Minuten für 12 Züge in schlechter Stellung hatte.
5 Stunden sind gespielt, Emil sitzt inzwischen unglaublich entspannt am Brett. Sein Gegner muss wohl das sich anbahnende Remis erst noch verdauen.
Eigentlich ist das Soll für dieses Wochenende schon erfüllt. Morgen geht es gegen die SV Hockenheim, die Gegner sind an allen Brettern ELO-stärker. Entsprechend ein früher Aufbruch vom Abendbrottisch, die (Vorbereitungs-)Nacht wird lang.
Dirk Paulsen - 4. Februar 2018
Klasse Beitrag, tolle Fotos, Kompliment an Martina.