Update: Kampfschach in Meißen

von am 3. Dezember 2016 in Berichte zur 1. Bundesliga

Update: Kampfschach in Meißen
Krzysztof Jakubowski (rechts) bewies gute Nerven und das bessere Zeitmanagement gegen Jens-Uwe Maiwald (Dresden)

Meißen ist in der Vorweih­nachtszeit besonders schön, dachte ich mir, und wenn dann auch noch die erste Mannschaft dort spielt, dann wird das ein erhol­sames und zugleich anregendes Wochenende. Also auf nach Meißen, mit Flixbus und S-Bahn ganz einfach.

Die acht Mannen kämpften mit rauchenden Rüben, als ich gegen halb fünf im Spiel­lokal ankam. Lars guckte sorgenvoll und empfing mich mit den Worten: „Das sieht heute gar nicht gut aus.“ Vor allem Krzysztof und Aleksander stünden bedenklich, Jans Remis­an­gebot wurde gerade von seiner Gegnerin Elisabeth Pähtz abgelehnt. Mir aber sagte mein Gefühl, so schlimm wird das nicht werden. Wenn die Uhr nicht wäre...

Kacper entschloss sich zu einer forcierten Zugwie­der­holung, mein Laienauge meinte, er hätte „irgendwie die gegne­rische Dame einfangen können“ oder zumindest von der gefähr­deten Position der weißen Dame profi­tieren sollen – das Irgendwie macht aber eben den gewaltige Spiel­stär­ken­un­ter­schied aus. Die Dame wird nicht gewonnen und Weiß hat poten­ziell Drohungen gegen den schwarzen König. Also völlig OK, mit noch wenigen Minuten auf der Uhr gegen Zoltan Almasi Remis zu spielen.

Es folgten weitere Remisen: bei Jan, Martin, der vermutlich noch in der Schluss­stellung besser steht, und Marco.

Marco profi­tierte ganz offenbar von der tristen Partie, die Sergej Karjakin in seiner vierten und letzten Tiebreak-Runde erlitten hatte. Er erreichte denselben Stellungstyp, spielte aller­dings ohne die zahlreichen Tempo­ver­luste, die der Plan a5-a4 und Da5 mit sich bringt (und dem Weiß – wie Magnus Carlsen zeigte – ohne Probleme begegnen kann). Statt dessen provo­zierte Marco beizeiten Schwächen im weißen Lager. Aller­dings verspielte er die schöne Stellung später und ist daher mit dem Remis nicht ganz zufrieden.

Peter gewann „eine glatte Partie“. Sein Gegner hatte einen Springer ungünstig postiert. Dieser kam viel zu spät zurück ins Spiel, sodass Peter quasi mit Mehrfigur agierte und den Vorteil problemlos in einen vollen Punkt verwan­delte.

Krzysztof und sein Gegner Jens-Uwe Maiwald hielten das inzwi­schen zahlreiche Publikum in Atem. Unbarm­herzig tickte die Uhr. Der Dresdner, der zunächst klar besser gestanden hatte, musste sich einige Ungenau­ig­keiten geleistet haben. Er geriet in einen Königs­an­griff, sein Gegen­an­griff im Zentrum schlug nicht durch und zudem war seine Uhr bis auf wenige Sekunden runter­ge­laufen. Er vertei­digte sich aber kreativ und blieb erstaunlich lange in der Partie.

Die Stockfish-Bewertung der Partie Maiwald-Jakubowski

Die Stockfish-Bewertung der Partie Maiwald-Jakubowski

Da stand es dann 4:2. Die verblie­benen Partien von Aleksander gegen seinen Landsmann Grzegorz Gajewski und Hrant gegen Pavel Eljanov standen da aber schon absehbar auf Verlust. Hrant spielte die letzten 18 Züge mit noch 2 Minuten auf der Uhr, dabei ist ihm wohl irgend­etwas Ungutes unter­laufen, denn zu Beginn hatte er noch eine vermutlich leicht bessere Stellung, nach der Zeitkon­trolle fehlte ihm ohne Kompen­sation ein Bauer. Für Pavel Eljanov stellte die Verwertung kein Problem dar.

Schachfreunde Berlin       4  :  4    USV TU Dresden

Melkumyan, Hrant           0  :  1    Eljanov, Pavel 
Piorun, Kacper             ½  :  ½    Almasi, Zoltan
Krämer, Martin             ½  :  ½    Nisipeanu, Liviu-Dieter
Mista, Aleksander          0  :  1    Gajewski, Grzegorz
Sprenger, Dr. Jan Michael  ½  :  ½    Pähtz, Elisabeth
Jakubowski, Krzysztof      1  :  0    Maiwald, Jens-Uwe
Schreiner, Peter           1  :  0    Tischbierek, Raj
Baldauf, Marco             ½  :  ½    Hoffmann, Paul

Abschließend ging es grüpp­chen­weise auf den Weihnachts­markt. Der Glühwein war angenehm in der klirrenden Kälte, die Meißener Kulisse am Markt­platz noch viel mehr. Wirklich eine entzü­ckende kleine Stadt!

Bei Gänse­keule und Rotkohl kam die Runde samt Mannschafts­leiter Lars dann zu dem Schluss, dass man mit dem 4 : 4 gut bedient ist. Vor allem Krzysztofs Partie wurde nochmal heiß disku­tiert. Spielt sie nach, großes Spektakel! Unter Bundesliga-Live-Seite findet Ihr sie.

Am Sonntag ging es dann gegen Schwä­bisch Hall, die gegen Reise­partner König Tegel am Sonntag hoch gewonnen hatten (5,5 : 2,5).

Sowohl die Schach­freunde als auch ihre Gegner stellten am Sonntag genauso wie am Vortag auf. Die Vorbe­rei­tungen sollten also funktio­niert haben. Nominell war Schwä­bisch Hall an den vorderen Brettern etwas besser, dafür an den hinteren Brettern etwas schwächer als die Schach­freunde aufge­stellt. Um es vorweg zu nehmen: Es wurde hart gekämpft und es gab nicht eine Remise!

Die Schach­freunde gingen nach dreieinhalb Stunden mit 2:0 in Führung durch schöne Siege von Marco und Aleksander. Lars meinte - vermutlich unter dem Eindruck der Führung: „Heute sieht es besser aus“... Zu diesem Zeitpunkt standen noch einige Partien unklar-gut, die sich später als problem­be­laden heraus­stellten (darunter die Partie von Krzysztof, der mit Turm + Bauer gegen zwei Leicht­fi­guren spielte). Es verloren bald darauf Kacper und Martin. Jan und Krzysztof kämpften noch eine Weile, standen aber schon länger auf Verlust. Peter gewann immerhin, wieder irgendwie von leichter Hand, das war ganz beruhigend anzusehen. Das Blatt hatte sich dennoch zum 3:4 gegen die Schach­freunde gewendet. Übrig blieb Hrant mit einem immer schwie­ri­geren Endspiel, wobei sein Gegner Maxim Rodstein sehr überzeugend spielte. Für Hrant ein bitteres Wochenende. Zwei Nieder­lagen nach jeweils langem Kampf – zwar gegen stärkste Gegner­schaft, aber trotzdem war er natürlich sehr enttäuscht. „Obenauf“ dagegen Peter, der mit 2 aus 2 an diesem Wochenende der Top-Scorer war und weiter auf GM-Norm-Kurs ist.

Reise­partner König Tegel verlor heute hoch gegen die Mannschaft des USV TU Dresden. Heraus­ragend dabei das Remis von René Stern gegen Pavel Eljanov (beide trennen 220 ELO-Punkte!). Dabei hätte René unter Umständen auf Gewinn spielen können, wären die Türme auf dem Brett geblieben (so der Stand der Analyse am späten Sonntag Nachmittag). Ein schöner indivi­du­eller Erfolg, auch wenn es für die Tegeler nicht rund läuft und sie unter ihren Möglich­keiten punkten.

Hier das Endergebnis:

Schachfreunde Berlin       3  :  5    Schwäbisch Hall

Melkumyan, Hrant           0  :  1    Rodstein, Maxim
Piorun, Kacper             0  :  1    Matlakov, Maxim
Krämer, Martin             0  :  1    Laznicka, Viktor
Mista, Aleksander          1  :  0    Le Roux, Jean-Pierre
Sprenger, Dr. Jan Michael  0  :  1    Michalik, Peter
Jakubowski, Krzysztof      0  :  1    Womacka, Matthias
Schreiner, Peter           1  :  0    Raykhman, Alexander
Baldauf, Marco             1  :  0    Zvepak, Pavel

Die Schach­freunde stehen vor der Weihnachts­pause mit 5 Mannschafts­punkten auf dem 9. Tabel­len­platz. Am 18./19.2.2017 wird in Griesheim gegen Griesheim und Hockenheim gespielt – erneut eine Gelegenheit, wieder zu punkten, zumindest gegen die Gastgeber, die sich derzeit auf einem Abstiegs­platz befinden, während Hockenheim als derzeit Dritt­plat­zierter eher die Favori­ten­rolle innehaben dürfte.

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