5 vor 12
Einen Bericht über die Ereignisse des gestrigen Mannschaftskampfes zu schreiben geht im Prinzip ganz einfach: Wir haben gegen die Mannschaft von Rehberge mit 4,5-3,5 gewonnen. Da Schach jedoch nicht nur ein Ergebnissport ist, lohnt es sich durchaus auch über die Umstände zu berichten, wie es zu diesem Ergebnis kam.
Der Berichterstatter hatte ein gebrauchtes Wochenende. Zunächst gab es den 53.Geburtstag zu vermerken, dann wurde ich von einem 3-jährigen Jungen als Opa identifiziert und schlussendlich hat mein Hirn alle allgemeinen Schachprinzipien außer Kraft gesetzt: In der Eröffnungsphase zweimal die Dame gezogen, zweimal den weißfeldrigen Läufer, dreimal den Königs-Turm. Der König wurde nicht rochiert und in der Mitte zum Mattsetzen belassen. Das alles in 2 Stunden, wobei ich allein ¾ dieser Gesamtspielzeit in Anspruch genommen habe. So spielt man also, wenn man 53 ist. An alle Freunde: Wenn ich mit 54 nur noch Randbauern ziehe, meldet mich aus dem Verein ab und bei einem Ligakonkurrenten an, damit ich keinen weiteren Schaden für uns anrichte !
Um 11 Uhr konnte ich also meiner schlechten Laune freien Lauf lassen, indem ich um die Tische spazierte und mal da einen schlauen Gesichtsausdruck hinterließ und mal dort ( bei diesem Gesicht gar nicht so einfach !). Um 5 vor 12 hatte ich immer noch schlechte Laune und eine Stunde später um 5 vor 12 auch noch, weil sich die allgemeine Schachlage weiter zu unseren Ungunsten verschoben hatte. Brett 7 stand völlig auf Verlust und Brett 6 hatte sich entschlossen, denselben Niederlagenweg einzuschlagen. Stimmungsaufhellend waren zu diesem Zeitpunkt auch die 2 Remisen an den Brettern 4 und 5 nicht wirklich.
Eine Stunde später um 5 vor 12 stand es immer noch 2:3 gegen uns. Inzwischen hatte sich der Rehberger Spieler an Brett 7 jedoch entschlossen, es mir gleich zu tun: Warum soll man ein gewonnenes Endspiel mit Mehrbauer wirklich gewinnen wollen? Wenn man 53 ist, muss man ja nichts mehr beweisen und man stellt gerne Figuren zum Schlagen hin und gibt auch gerne gegen einen Nachwuchsspieler auf. An dieser Stelle ein recht herzliches Dankeschön für dieses Gastgeschenk.
In der Endphase des Mannschaftskampfes um 5 vor 12 liefen also noch 3 Partien und wie ich mich auch bemühte, ich konnte durch simpelstes Addieren nicht auf das Endresultat von 4,5 kommen. Man hat eben nur 5 ganze Finger und mit Brüchen wollte ich nun nicht auch noch anfangen - zu aufwendig. Plötzlich höre ich ein „Klackgeräusch“ (es entsteht, wenn eine Figur energisch mit einer anderen zusammentrifft ), ich sehe an Brett 3 wie unser schwarzer Turm einen weißen Springer auf h2 schlägt und wie eine Hand, ein ganzer Arm zur Aufgabe rüber gereicht wird. Im Traum klingelt immer genau dann der Wecker, wenn sich die Blondine, Brünette, Schwarzhaarige einem gerade ganz und gar widmen möchte. Aber dieses „Klack“ war kein Wecker und hinter dem Arm verbarg sich auch keine Schönheit. Es war lediglich die Aufgabe eines grauhaarigen Schachspielers. Wie schön die Realität doch sein kann.
Zwei andere Herren der Schachfreunde haben an Brett 2 und 1 dann noch Remis gespielt und gewonnen und so kam es, dass auf dem Mannschaftsprotokoll 4,5: 3,5 stand. Ein tragik-komischer Film mit Überlänge, der in der Bülowstr. wohl nur einmal gezeigt und nicht wiederholt wird. Auf die spätere Frage wie spät es sei, antwortete ich: „5 vor12, aber wie spät es in Wirklichkeit ist, weiß ich nicht. Meine Uhr ist stehengeblieben.“
Martina Skogvall - 17. Februar 2017
Lieber Arnd, Du kannst so schön schreiben! Vielen Dank für den lustigen, anrührenden Bericht.
Marcus Gretzer - 16. Februar 2017
Ob wir Dich dann noch bei uns einsetzen können?
Marcus Gretzer - 16. Februar 2017
Danke, Arnd, für diesen schönen Bericht! Ich wünsche Dir weiterhin viele verpatzte Schachpartien - und uns unterhaltsame Veranschaulichungen dessen. Im übrigen bin ich der Meinung, man sollte für Schachspieler ab einer gewissen Altersgrenze in regelmäßigen Abständen etwas Ähnliches wie TÜV-Untersuchungen veranstalten, bevor man sie auf die Mannschaftskämpfe loslässt.
Nächstes Jahr wirst du noch älter!
Rainer Polzin - 16. Februar 2017
TÜV-Untersuchung mit anschließender Strafversetzung in die 6. Mannschaft. Das ist doch mal ein Vorschlag -:).
Peter Baranowsky - 14. Februar 2017
Lieber Arnd, wenn deine Eigenanalyse nicht so besorgniserregend wäre könnte ich über deinen Bericht herzlich lachen ... aber ich bin 17 Jahre älter und es ist immer noch 5 vor 12!
Liebe Grüße Peter
Leider ist es für zwei liebe Schachfreunde von uns schon 5 nach 12, bestürzend ...