Skandal in der Oberliga!
Oberflächlich betrachtet war es das Spiel eines Absteigers gegen ein Team aus dem oberen Mittefeld. Alles andere als ein deutlicher Sieg gegen die auch noch ersatzgeschwächt angetretenen Greifswalder war nicht vorstellbar. Doch hatte keiner mit dem tiefen Griff in die Trickkiste durch die Norddeutschen gerechnet!
So setzten die Greifswalder ganz unlautere Taktiken ein, die so in der Liga noch nicht gesehen wurden. SPORTSGEIST! Und FAIRNESS!!! Diesen üblen Methoden trafen uns völlig unvorbereitet, und so hatten wir ihnen im Kampf nichts entgegenzusetzten.
Hier die Dokumentation der skandalösen Ereignisse aus Sicht des Berichterstatters:
Kurz nach 5,5 (vulgo: halb elf) erreichte ich das Spiellokal. Dort traf ich Jan Wendt, wie er die Uhren einstellte. (Das Jan vor mir im Spiellokal war hätte schon alle Alarmglocken schrillen lassen sollen, dass an diesem Tag irgendwas nicht stimmt.) Die Bretter standen schon, so wollte ich mich daran machen, die Figuren aufzubauen. Ein Blick links, ein Blick rechts - irgend etwas fehlt hier doch?
Investigative Recherche durch CSI Schöneberg ergab, dass unser „Zeugwart“ (Namen tun hier nichts zur Sache) morgens zwar Bretter, Uhren, Kaffee und Kuchen eingepackt hatte, aber leider die Figuren zu Hause hatte stehen lassen. (Der Kampf fand nicht in unserem normalen Spiellokal statt, so dass das ganze Material transportiert werden musste.) Nun hieß es also warten...
Zum Zeitvertreib wurde einfach mal der Schiedsrichter befragt, was denn das Regelwerk für solche Fälle vorsieht. Ab 11 Uhr hätte halt bei allen Berlinern die Zeit angefangen zu laufen. Allerdings, so der Schiri, habe er sich mit den Greifswaldern darauf verständigt, dass dies erst ab 11.10 Uhr der Fall gewesen wäre!!!
Was soll das? Sportsgeist?? Fair Play??? Wo sind wir denn hier???? Was, wenn das jetzt alle so machen?????
Eigentlich ging es in dem Kampf doch darum, dass die Greifswalder ihre letzte zumindest theoretische Chance auf den Klassenerhalt nutzen, und wir durch einen Sieg zum einen unsere letzten theoretischen Abstiegssorgen vergessen machen und vor allem unserer dritten Mannschaft in deren Abstiegskampf unterstützen wollten. (Fragt mich nicht nach Details. Aber gemäß Leuten, die sich damit auskennen, droht eine Abstiegswelle von der 1. und 2. Bundesliga durch die Berliner Ligen.) Durch diese großzügige Greifswalder Geste wurde unser Aggressionsniveau schlagartig auf Null gesetzt.
Und noch ein Psychotrick: Statt wie befürchtet erstmals in der Saison ihre schwedischen Legionäre aufzufahren, ließen die Mecklenburg-Vorpommerer (Vorpommeraner?) ihre bisherigen beiden Spitzenbretter zu Hause. Als dann auch noch am Ersten Brett Jan Wendt mit Schwarz dank eines einzügigen Turmeinstellers seines Gegner die 1-0 Führung schoss, sollte doch eigentlich alles im Sack sein. Hier noch ein Remis, da noch ein Sieg, alles klar. Aber dann kamen die Konter. Im Detail:
Brett 1: Christian Bartolomaeus - Jan Wendt 0-1
Berlin - Greifwald 1-0
In einem Sweshnikow-Sizilianer hatte Jan keine größeren Probleme. Das schwache Feld d5 und der schwache Bauer d6 wurden vollauf durch den aktiven Springer auf e5 kompensiert. Durch die Beherrschung der c-Linie und dem passiven weißen Springer auf a3 bekam Jan sogar langsam Oberwasser. Und als Christian diesen Springer endlich über c4 aktivieren wollte, war plötzlich ein Turm weg.
Brett 4: Robert Glantz - Ulli Reyer remis
Berlin - Greifwald 1,5-0,5
In einer spanischen Abtauschvariante folgen beide Spieler lange der Theorie. Schwarz kannte sich gut aus und konnte ein sicheres Remis erzielen.
Brett 6: Christoph Nogly - Christian Schwan 1-0
Berlin - Greifwald 2,5-0,5
Oberflächlich betrachtet ein katalanischer Start-Ziel-Sieg. Am Brett sah es aber nicht so einfach aus. Allerdings war es für Schwarz nach dem verfrühten Tausch seines schwarzfeldrigen Läufers auch sehr schwer, die gedrückte Stellung auf Dauer zusammen zu halten.
Brett 7: Wilfried Woll - Stefan Brettschneider 1-0
Berlin - Greifwald 2,5-1,5
Nach bislang 6 Punkten aus 6 Partien die erste Null von Bretti in dieser Saison. Hatte er in den vorigen Partien teilweise aus dem Nichts noch volle Punkte hervorgezaubert, so erreichte er in dieser Partie nach der Eröffnung (Englisch / Holländisch) eigentlich eine vielversprechene Stellung. Ein Remisangebot im 19. Zug lehnte er ab und ließ seine Königsflügelbauern rollen. Dieser Angriff wurde jedoch geschickt ausgekontert (Ta5! mit drohendem Schwenk zum Königsflügel). In Zeitnot und Verluststellung lief Bretti dann noch in ein forciertes matt.
Brett 3: Klaus-Peter Koepcke - Jan Lundin 1-0
Berlin - Greifwald 2,5-2,5
Kurz nach der Zeitkontrolle dann der Ausgleich. In einer Damenindischen Eröffnung vermischte Jan zwei Systeme, die wohl nicht zusammenpassen: den Plan Se4 nebst Lf6 und den Zug Sa6 (wonach eher d5 folgt). In der Folge sah er sich zu einem Tausch von zwei Figuren gegen Turm und Bauer genötigt. Zwar hielt er seine Stellung gut zusammen. Sein Plan, am Damenflüge vorzugehen, ging aber taktisch nicht.
Brett 5: Oleg Paraschchenko - Sigi Weber 0-1
Berlin - Greifwald 3,5-2,5
Die Führung eroberte für uns dann der Spieler zurück, der eigentlich als einziger „Remiserlaubnis“ hatte. Sigi Weber sprang kurzfristig für den erkrankten Christian Kurz ein, obwohl er selber körperlich nicht auf der Höhe war. Allerdings wählte sein Gegner gegen Sigis Aljechin-Verteidiung den Zweibauern-Angriff. Und wenn man das in der heutigen Zeit schon mal auf dem Brett hat, will man es auch spielen. Sigi bekam schnell eine angenehme Stellung. Doch in der hochkomplexen Partie war von vorneherein klar das der gewinnen würde, der die Zeitnotphase unbeschadet übersteht. Hier behielt Sigi den besseren Überblick, konnte einen Bauern gewinnen und kurz nach der Zeitkontrolle durch eine kleine Kombination eine Figur.
Brett 8: Rauno Jarvinen - Richard Valet 0-1 (korrigiert, siehe Kommentare)
Berlin - Greifwald 3,5-3,5
Dies war die Partie, die uns das Genick brach. Rauno eröffnete mit 1.Sc3 und bekam eine typischen Stellung aus der sizilianischen Drachenvariante mit f3, Le3, Dd2 und großer Rochade. Der einzige Unterschied: der Bauern steht noch auf e2 statt auf e4! Schwarz stand dem in nichts nach und rochierte auch zum Damenflügel. Im komplizierten Mittelspiel opferte Schwarz nach bekannten Mustern eine Qualität auf c3 und bekam dafür einen Bauern und Spiel gegen die geschwächte Königsstellung. Im folgenden mauerte der Schwarze aber seinen Läufer auf a4 ein und Rauno erhielt einigen Vorteil. Statt die Situation am Damenflüge zu klären, unterlief Rauno in Zeitnot aber ein schwerer Fehler. Er verlor einen weiteren Bauern. Viel schlimmer war aber, dass sein König auch noch einem heftigen Angriff ausgesetzt war. Nach der Zeitkontrolle folgte nur noch Agonie.
Brett 2: Joachim Wintzer - Hannes Leisner 0-1
Berlin - Greifwald 3,5-4,5
Das Joachim seine seit der Eröffnung schlecht stehende Partie dann auch noch durch eine Einsteller beendete, war nur noch der Tropfen auf den heißen Stein. In einer Variante der symmetrischen Englischen Eröffnung opferte Schwarz auf c6 einen Bauern. Die Theorie empfiehlt, den Bauern nicht zu nehmen. Dies wusste Joachim aber nicht. So geriet er schnell in ein Schwerfigurenendspiel, in dem er mit einem isolierten c-Bauern trostlos auf Remis spielen musste. Im folgenden musste er den c-Bauern opfern und konnte sich in eine Damenendspiel mit Minusbauern retten. Dies versprach noch gute Remischancen. Auf ein Schach ging Joachim dann aus allgemeinen Erwägungen mit den König nach f1, was aber leider zum sofortigen Damentausch mit verlorenem Bauernendspiel führt. Nach Kg1 hätte Schwarz noch gute Technik zeigen müssen.
Alles in allem eine leider völlig verdiente Niederlage gegen einen nominell deutlich schwächeren Gegner. Da alle andere Kämpfe in der 2. Bundesliga Nord und in der OLNO zu unseren Gunsten verlaufen sind, sollten unsere Abstiegschancen wirklich minimal sein. Bei unserer dritten Mannschaft stehen wir aber in der Schuld, im Abschlusskampf gegen Weiße Dame die Scharte gegen Greifswald wieder auszuwetzen.
Noch ein Greifswalder - 28. März 2012
Ein netter Bericht.
Kleine Anmerkung noch: An Brett 8 spielte Richard Valet. Der Sohnemann siegte zeitgleich in Rostock. (Nicht das ein Funktionär das hier liest und erst mal alle unsere Punkte streicht, wegen Doppeleinsatz usw.... :-) )
Ein Greifswalder - 23. März 2012
Dassein Sieg gegen WD her muss, dem kann ich mich nur anschließen...
Für alle Anderen ein Bericht aus Greifswalder Sicht:
http://www.greifswaldersv.de/wiki/pmwiki.php?n=Main.1112Erste#Runde_8