Schachfreunde auf dem Weg in die zweite Liga
SF Berlin 2 6,5 : 1,5 ESV Lok RAW Cottbus Jan Wendt 0 : 1 Ilya Spivak Joachim Wintzer ½ : ½ Ruprecht Pfeffer Aron Moritz 1 : 0 Sebastian Manigk Christoph Nogly 1 : 0 Jens Kretzschmann Rauno Jarvinen 1 : 0 Michael Holgert Jan Paul Cremer 1 : 0 Rainer Lehmann Felix Noetzel 1 : 0 Reinhard Jentzsch Fernando Offermanno 1 : 0 Alexander Lehmann
1. SF Berlin II 12 33 2. SV Glückauf Rüdersdorf 10 35½ 3. SC Rotation Pankow 10 34 4. TSG Neuruppin 10 31 5. SK König Tegel I 10 31 6. TSG Oberschönewe 6 28½ 7. SG Lasker Steglitz-Wdf. 4 24½ 8. SC Empor Potsdam 4 22½ 9. Greifswalder SV 2 22 10. ESV Lok RAW Cottbus 2 18
Eigentlich ging es gar nicht gut los. Sonntagmorgen klingelt bei Mannschaftsführer Joachim Wintzer das Telefon. Stefan Brettschneider ist dran - sein Auto liegt im Graben! Dazu muss man wissen, dass Stefan zwar in Berlin arbeitet, die Wochenende aber in Sachsen verbringt. Als verantwortungsvoller Spieler hat „Bretti“ natürlich am Wochenende den Wetterbericht verfolgt und sich zeittechnisch auf die Winterkapriolen eingerichtet. Eine Stunde früher abfahren als sonst hätte auch locker ausgereicht - wenn er auf der Straße geblieben wäre. Aber schon fünf Kilometer von der Haustür entfernt war das Malheur passiert.
Stefan und auch seinem Auto ist nichts passiert. Er musste nur aus dem kleinen Graben gezogen werden. Damit war die Stunde Zeitpuffer „verpufft“ und rechtzeitiges Erscheinen am Brett in Frage gestellt. In einer Telefonkonferenz mit Rainer Polzin wurde beschlossen, Fernando Offermann zu kontaktieren. Der sollte bis kurz vor Beginn quasi Gewehr bei Fuß stehen, falls es absehbar wird, dass Stefan unmöglich rechtzeitig erscheinen wird. Gesagt getan. Kurz vor Abgabe der Mannschaftsaufstellung wurde nach Rücksprache mit Bretti entschieden, dass seine Aufstellung doch zu riskant sei und Fernando sprang ein.
Im Nachhinein wäre Stefan fünf Minuten vor Ablauf der Karenzzeit im Spiellokal eingetroffen. Allerdings holten alle die Spieler, die durch den Wechsel ein Brett höher spielten und deren Vorbereitung sowohl was Gegner als auch Farbe betraf völlig daneben lagen satte 6,5 von 7 möglichen Punkten! Vorbereitung wird halt doch überschätzt...
Die Höhe des Sieges hätte niemand vorhergesagt, der nach ca. einer Stunde sich die Stellungen angesehen hat. Da standen alle Cottbusser grundsolide, während man sich bei ein paar Schachfreunden Gedanken machen musste. In der Phase vor der ersten Zeitkontrolle stellten aber auf einmal ein Brandenburger nach dem anderen Material und Partie ein. Am krassesten war es an Brett sechs bei Jan Paul Cremer. Mit Weiß ist sein Tarrasch-Franzose schief gelaufen und er hatte schon einen Bauern (d4!) weniger. Als sein Gegner aber einen zweiten Bauern auf f2 verspeiste, waren auf einmal zwei (!) Figuren weg.
Bei Felix Nötzel war auch nicht viel los. Gegen das Weressow-System hatte er schnell Ausgleich und vielleicht eine leichte Initiative. Das Doppelturmendspiel wäre trotzdem Remis gewesen, hätte sich sein Gegner nicht auf f4 matt setzten lassen.
Ein Mattbild spielte auch bei Aron Moritz an Brett drei die entscheidende Rolle. In einem Fianchetto-Königsinder machte Aron die strukturellen Mängel seiner Stellung mit aktiven Figuren wett. Ungfähr ab Zug 25 wurde es dann wild. Für einen starken Freibauern opferte Aron eine Figur. In der komplexen Stellung verlor Weiß dann den Faden. Ein Mattbild mit Lf3 und Th1 kostete den Weißen einen Turm und damit auch die Partie.
Zu dem Zeitpunkt hatte Joachim Wintzer an Brett zwei eine halben Punkt eingefahren. In der Eröffnung tauschte er seinen Fianchetto-Läufer gegen einen Springer auf c6 ab, um die schwarze Bauernstellung zu kompromittieren. In der Folge erlangte Schwarz mit seinem Läuferpaar und den offenen Linien aber starken Druck, den Joachim mit einem Bauernopfer aber neutralisieren konnte. Im Damenendspiel waren die schwarzen Bauern dann zu schwach, um ernsthaft auf Vorteil zu spielen.
Nach der Zeitkontrolle liefen noch vier Partien. Klar war, dass Jan Wendt an Brett 1 verlieren würde. In einem Sizilianer konnte er nie ganz ausgleichen, musste eine Figur geben und unterlag im Endspiel. Dafür waren in den anderen drei Partien mindestens 2,5 Punkte sicher. Den Siegtreffer schoss Rauno an Brett 5. Gegen das Damenbauernspiel mit Lf4 hatte er schnell ausgeglichen und dann die Initiative übernommen. Im 41. Zug kurz vorm Matt hatte sein Gegner genug.
Etwas länger dauerte es bei Christoph Nogly. Nach von beiden Seiten „kreativer“ Eröffnungsbehandlung war ein kompliziertes königsindisches Mittelspiel entstanden. Als Schwarz aber aus ihm selbst im Nachhinein unerfindlichen Gründen mit h5 einen Bauern opferte, war die Partie im höheren Sinne entschieden. Um überhaupt noch Mogelchancen zu haben folgten ein zweitr und kurzzeitig ein dritter Bauer. Konsequentes Figuren tauschen führte zu einem problemlos gewonnenen Endspiel.
Den Schlusspunkt setzte Ersatzmann Fernando Offermann. In einer Katalanischen Eröffnung kam es zu einem zähen Taktieren. Kurz vor der Zeitkontrolle stellte Fernando aber einen Bauern ein. Entscheidend war dies nicht, da Weiß durch die passiven schwarzen Figuren immer etwas Kompensation hatte. Dann agierte der Schwarze aber viel zu unvorsichtig und ließ die weiße Dame nach e7 eindringen, wo sie zusammen mit einem Springer auf e5 für großes Ungemach für den schwarzen Monarchen sorgte. Als dann auch noch der katalanische Läufer von g2 über f1, h5 und g6 in den Angriff mit einstieg war es schnell vorbei.
Mit diesem Sieg bei der gleichzeitigen Niederlage des bisherigen Tabellenführers aus Neuruppin gegen den eigentlichen Ligafavoriten aus Rüderdorf haben die Schachfreunde Berlin nun deutlich die Führung in der Oberliga Nord-Ost übernommen. Mit zwei Mannschaftspunkten Rückstand folgen gleich vier Mannschaften: Rüdersdorf, Pankow, Neuruppin und König Tegel. Drei Punkte aus dem beiden letzten Runden gegen Greifswald und Empor Potsdam - Platz 8 und 9 der Liga - und der Aufstieg in die 2. Bundesliga ist gesichert. Allerdings auch nur, wenn die 1. Mannschaft die Klasse hält und uns nicht den Platz wegnimmt.
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