Matt im 85. Zug oder ein Loblied auf die DWZ-Kleinen

von am 1. Februar 2014 in 7. Mannschaft, SFB7 Saison 2013/14, Teams

Matt im 85. Zug oder ein Loblied auf die DWZ-Kleinen
vorne v.l.n.r.: Winkler, Chauhan, Kaniecki, hinten Scheel, Chauhan, Kaniecki

 

BMM 1314, Klasse 4 West, Runde 6, 26. Jan. 2014:  

SF Berlin 1903 7 SC Weisse Dame 7 4,5 : 1,5
701 Markus Hoff 703 Gerhard Eileb­recht 1:0
703 Miguel Parada Contzen 708 Andreas Schwarz +:-
705 Johannes Winkler 709 Franz-Elias Hagena ½:½
707 Mariusz Kaniecki 710 Vladyslav Kozusenok 0:1
708 Anurag Singh Chauhan 711 Julius Wolff 1:0
709 Marco Scheel 715 Martin Döring 1:0

 

Ein Bericht von Markus Hoff

In der sechsten Runde kam es in unseren heiligen Hallen zur Spitzen­paarung in der Klasse 4 West.

Zunächst dürfen wir uns einmal mehr darüber freuen und dafür bedanken, dass Marcus Gretzerbier uns die Bretter und Figuren bereits aufgebaut hatte, so dass wir uns auf die Entge­gen­nahme der gegne­ri­schen Aufstellung und das Aufziehen der Uhren konzen­trieren konnten. Er erklärte sich als Belohnung für unser Endre­sultat sogar bereit, die Klötzchen hinterher auch wieder in ihr dunkles Holzverlies zu verfrachten.

Auch wenn unser Erfolg sich jetzt wie eine klare Angele­genheit liest, war es mitnichten einfach. Gleich zwei starke Spieler durften wir an die sechste Mannschaft ausleihen, doch auch unser Gegner trat nicht in Bestbe­setzung, dafür aber mit ungemeinem Kampf­geist an.

In der Vorbe­reitung auf diesen Sonntag hatte ich in der Berlin Base ein Dutzend Partien meines mutmaß­lichen Gegners Matthias Eichhoff (DWZ 1388, aber bisher 100%!) studiert und festge­stellt, dass er mit Weiß im Londoner System lange ausge­glichen gegen Spieler mit über 400 Mehrpunkten zu stehen vermag, auch wenn er taktisch im späten Mittel­spiel bzw. im Endspiel noch über den Jordan geht. Ich vertiefte mich also in meine Literatur zu dieser Eröffnung, erwog verschiedene Systeme mit Schwarz. Dann wurde beim Tata Steel in Holland auch noch wenige Tage vorher in der Spitzen­gruppe zwischen GM R. Rapport und SuperGM A. Giri ein London der schärfsten Sorte aufge­führt, in dem Giri im 7. Zug zur Neuerung g5 gegriffen, letztlich aber nur Unent­schieden gegen den Schwä­cheren Weißspieler gespielt hatte. Schlaflos wälzte ich mich am Vorabend im Bett und musste letztlich froh sein, überhaupt mit fünfeinhalb Stunden Nacht­schlaf am Brett aufzu­tauchen.

Groß war die Neuigkeit beim Studieren der Aufstellung: Eichhoff hilft seiner­seits weiter oben aus. Ich bekam es mit Schach­freund Gerhard Eileb­recht zu tun, dessen süddeut­scher Tonfall und seine ausge­prägte Freund­lichkeit mich gleich versöhnlich stimmten. Allzu schwer könnte es doch nun für mich nicht werden, wenn denn die WeiDamer ihren besten Mann weiter oben beschäf­tigten. Ich sollte mich noch umschauen, wie mir bald vor Augen geführt wurde. Mein kurzer Anfall von Stress­kom­pen­sa­ti­ons­ar­roganz währte keine 45 Minuten.

Ein BMM-Kampf an sechs Brettern ist wirklich anders, als an acht, da es weniger Möglich­keiten gibt, Scharten auszu­wetzen und alle Spieler das Mannschafts­er­gebnis im Blick behalten müssen, was unser Team nonverbal, aber vorbildlich meisterte. Miguels Gegner tauchte nicht auf, weswegen wir an Brett 2 schon nach 30 Minuten in Führung gingen. Noch lange nachdem seine Nicht-Partie beendet war, kiebitzte Miguel, dabei immer eine positive Aura ausstrahlend! Auch Roman Sippel schaute mehr als einmal bei uns vorbei und unter­stützte seine Mannschaft dadurch!

Der freund­liche, aber noch etwas schweigsame Anurag Singh Chauhan an Brett 5 besiegte den kleinen Jungen, der ihm gegenüber saß und so schien es ein Start-Ziel-Sieg für unsere Farben zu werden. Anurag hatte mit Schwarz den Königs­flügel seines überfor­derten Gegners berannt, was diesen - soweit ich das erkennen konnte - zwar nicht das Leben seines Monarchen, aber letztlich zuviel Material kostete. Meine gute Laune erhielt einen Dämpfer, als mein Blick auf Marco Scheels Brett 6 fiel. Er war mit Weiß mit zwei Minus­bauern aus der Eröffnung gekommen! Wie sich später heraus­stellte, hatten die WeiDamer an Brett 6 mit Schach­freund Döring einen 1640er aufge­stellt.

BMM26.01.2014 003An Brett 4 sah sich Mariusz mit einem schach­ta­len­tierten Knaben konfron­tiert, der ihn nicht nur durch starkes Spiel, sondern auch dadurch irritierte, dass er einige Benimm­regeln am Schach­brett noch erlernen muss. Da Mariusz am Schach­brett gerne kämpft, selber aber als sehr engagierter Vater im Rücksicht­nehmen geübt ist, ging erst das innere Gleich­ge­wicht, dann die Konzen­tration und dann eine Figur flöten. Überaus mannschafts­dienlich noch in der Niederlage, ging er mit einem Lächeln und der Aufmun­terung: “ Ich habe einen Turm einge­stellt. Mach(t)´s besser!“

Johannes und sein Gegner an Brett 3 schenkten sich nichts! Der Vorteil schien mehr als einmal zu wechseln, auch wenn ich glaube, Johannes meist in der Vorhand gesehen zu haben. Am Ende hatten sie ein Damen­end­spiel auf dem Brett. Doch auch hier wurden noch Remis­an­gebote abgelehnt, bevor der wohl letztlich verdiente Friedens­schluss amtlich war.

Würde also alles von meiner schwerer und schwerer werdenden Partie an Brett 1 abhängen? Nein! Marco gewann am sechsten Brett eine Qualität zurück. Er öffnete am Königs­flügel Linien für sein Turmpaar, während sein Gegner die Mehrbauern am Damen­flügel einfach nicht nach vorne brachte. Hier war schon optisch augen­fällig, warum unser Spiel als Abbild indischer Schlachten im 7. Jahrhundert entstand. Aus einer verlo­renen wurde eine schlechtere, aus einer schlech­teren eine Stellung mit Kompen­sation. Dann stand er etwas besser und am Ende gewann Marco sogar! Ein super Turnaround! Wenn er nun noch das Eröff­nungsbuch von IM Watson studiert, dass Roman ihm dankens­wer­ter­weise ausge­liehen hat, wird er zukünftig unter noch mehr Partie­for­mulare eine „1“ in seiner Spalte eintragen dürfen.

Was war nun aus mir und meinem vermeintlich leichten Gegner an Brett 1 geworden?

Nun er spielte mit Weiß gegen Pirc ruhig ein sinnvolles h3-System, mit Sinn für gesunde Entwicklung und die Positio­nierung von Läufern auf den Diago­nalen h2-c7 (Hallo London!), f1-b5 sowie a2-f7. Mit Springern schien er etwas weniger anfangen zu können. Mir gelang es nicht wirklich auf normalem Wege vollen Ausgleich zu erzielen, zumal ich eine frühe Möglichkeit zu b5 ausließ. Als er seinen a-Bauern nach a4 und dann nach a5 vorstieß, musste ich mich ihm noch inten­siver im Zentrum stellen und mir ins Gedächtnis rufen, dass nur eine Stellungs­ano­malie Aussicht auf Erfolg bot. Den Ansatz zu finden, kostete mehr und mehr Zeit...

Schließlich versäumte er im 17. Zug, dem Zug, indem laut IM Kaspar die meisten Partien entschieden werden, die beste Fortsetzung, indem er meinen e6-Läufer gegen seinen c4-Läufer tauschte, statt mit 17. Sd5 für weitere schwarze Probleme zu sorgen. Danach nahm ich mit dem f-Bauern zurück und hatte so einen Doppelmops auf der E-Linie. Es folgte die Umgrup­pierung Sh5 und Lh6, die ihn dazu verleitete, seinen h2-Läufer einzu­sperren, der erst umständlich über g1 ins Leben zurück­ge­bracht werden musste sowie die Eroberung der D-Linie und vor allem das Feld d2 für Schwarz. Jetzt hatte ich endlich etwas Initiative. Er bot als echtes Danaer­ge­schenk ein troja­ni­sches Pferd auf d1 zum Opfer, doch hätte dessen Annahme mich der Bauern e6, b7 und a6 beraubt, was ich angesichts eines damen­un­ter­stützten weißen Freibauern auf a5 nicht überstanden hätte. Als ich ihn nach der Partie darauf ansprach, stellte es sich heraus, dass er das nicht gesehen hatte, aber woher hätte ich das wissen sollen? Wo aber blieb mein schüch­terner Vorteil nach dem General­tausch der Türme?

Letztlich war es der Einfall, meinen h5-Springer dazu zu benutzen, seinen mittler­weile verein­samten a5-Bauern auf dem anderen Flügel abzuholen, nicht ohne unterwegs auch noch meine passive gegen seine aktive Dame zu tauschen! Ein guter Spieler hätte diese Idee gleich in der Totalen gesehen. Mir kam sie erst allmählich, als ich versuchte - getreu der GM Tarra­schen Devise, wonach die schlechtest stehende Figur zuerst zu ziehen ist - meinen mittler­weile wirkungs­be­freiten Sh5 wieder ins Zentrum zurück zu beordern. Ein besserer weißer Spieler hätte sich wohl durch einen koordi­nier­teren Angriff gegen meinen Bauern c5 Kompen­sation verschafft.

Als langjäh­riger (Nur-noch-)BMM-Patzer ist es für mich einfach sehr, sehr ungewohnt, deutlich schlechter bewertete Vereins­spieler schlagen zu sollen. Durfte ich mich doch norma­ler­weise in den letzten Jahren besten­falls daran erfreuen, 1800er auf dem Weg zu ihrem wohl verdienten Punkt nicht allzu sehr unter­fordert zu haben. Dass GM Kalifmann vor einigen Jahren angesichts seiner Open-Malaise behauptete, heute könne jeder, der einen Computer sein eigen nenne, locker 2300 Elo stark sein, ermutigt auch nicht jeden von uns!

Der 40. Zug sah mich bei 1:59 Stunden, aber mit einem gesunden Mehrbauern. Ich hätte nicht geahnt, dass wir nochmal so viele Züge machen würden. Nach einer Ungenau­igkeit von ihm, die mich einen zweiten Bauern gewinnen ließ und einem Fehler von mir, die diesen ihm wieder zurück gab, opferte er letztlich im 64. Zug seinen Springer gegen meinen Freibauern, statt den Gaul für weitere Tempo­ge­winne mit stetem Blick aufs Umwand­lungsfeld pendeln zu lassen. Springer sind halt nicht so sein Ding. Nach der Partie sagte er, er habe nicht vermutet, dass fünf Minuten Restzeit zum Sieg für Schwarz beim Kampf um die h-Bauern reichen könnten. Letztlich ließ er sich sogar konse­quen­ter­weise noch mattsetzen, und zwar im 85. Zug!

Zuhause stellte ich verblüfft fest, dass mein Gegner nur bei DWZ 1207 rangiert. „Warst eben selbst kaum besser!“, so schalt ich mich innerlich. Doch dann gab ich die Partie Fritz 11 zum Rechnen und staunte: Beide Seiten hatten wirklich laut Engine unerwartet viele richtige Züge gemacht und die Fehler waren nicht allzu grober Natur!

Die 7. Mannschaft der Schach­freunde Berlin wird, soviel darf schon verraten werden, den Aufstieg vorzeitig schaffen, wenn in den nächsten Runden weiter so konzen­triert und mannschafts­dienlich agiert wird. Hochmut jedoch, bleibt - siehe oben - weiter unange­bracht!

Markus Hoff

Platz Mannschaft Spiele MP BP
1 SF Berlin 1903 7 6 12 28,0
2 SC Weisse Dame 7 6 8 20,5
3 SG Lichtenberg 5 6 8 17,5
4 SG Lasker Steglitz-Wilmersdorf 5 6 7 19,5
5 TuS Makkabi Berlin 3 6 7 17,0
6 CFC Hertha 06 3 6 6 18,5
7 Schach­pin­guine Berlin 2 6 5 18,0
8 BSC Rehberge 1945 4 6 4 15,0
9 SC Zitadelle Spandau 1977 5 6 2 13,0
10 SK Zehlendorf 4 6 1 10,0

 

Nächster Gegner am 16.02.2014:  TuS Makkabi Berlin 3

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