Garri kiebitzt bei den Schachfreunden

von am 29. September 2003 in ECC 2003, Europapokal

Garri kiebitzt bei den Schachfreunden

Über Neukölln und die Spitzen­kämpfe zu berichten, ist diesmal ausnahms­weise ein und dasselbe. Denn wir saßen heute im Kampf gegen das sibirische Team von Tomsk-400-Yukos in der ersten Reihe. Nach St. Petersburg (Panormo 2001; 1:5) und Kasan (2002; 3:3) war es bereits unsere dritte Europa­cup­be­gegnung mit einem russi­schen Spitzenteam. Und immer war auf der Gegen­seite Alexander Khalifman dabei. Rainer Polzin knöpfte ihm heute ein Remis ab. Vielleicht hätte er sogar noch etwas spielen können, denn Khalif verband seine Remis­of­ferte mit einem lt. Polzin evtl. etwas riskanten Bauernzug. Doch der Berliner nahm an, ohne überhaupt aufs Brett zu schauen.

An Brett zwei verlor Stephan Berndt gegen einen seit Monaten in Überform agierenden Alexander Morose­witsch, der nach einem Bauern­opfer weißfeldrig attackierte. Martin Borriss kam gegen Michail Kobalija (der zeitweilig zu Kasparows Sekun­dan­tenteam gehörte) aus der Eröffnung heraus deutlich in Vorteil. Hier durfte man mit Fug und Recht auf einen Sieg für uns hoffen. Doch der Russe wurde zäh und die Partie versandete in ein Remisend­spiel. Ich geriet gegen Andrej Belozerow (der einzige wasch­echte Tomsker im Team) in eine Eröff­nungs­vor­be­reitung. Mein bizarr anmutender Zug Läufer c8-h3 wurde von meinem Gegner später trocken als „theore­tische Neuerung“ klassi­fi­ziert. Das möchte ich auch meinen... Immerhin nötigte diese Aktion dem unsere Bretter abschrei­tenden (heute pausie­renden) Garri Kasparow ein halbmi­nü­tiges Verweilen, einen prüfenden Blick auf das Partie­for­mular und bei einer späteren Rückkehr eine abwägende Handbe­wegung ab, die in seiner Gestik norma­ler­weise für die Bewertung „unklar“ steht. Leider fraß sich mein Bauer später nicht nach b2 durch (zumindest mit nicht schlechten prakti­schen Chancen), da ich den Rückgewinn des Materials vorzog und nach König f2 mit Fall des Bauern b7 in einem verloren Endspiel landete.

Lars Thiede stand gegen Waleri Filippov die ganze Partie über aussichts­reich. Kurz vor der Zeitkon­trolle hätte er den Russen mit f4-f5 und Spiel gegen den schwarzen König vor äußerst ernste Probleme stellen können. So aber fing Filippow an zu kneten. Die erste Europa­po­kal­nie­derlage des „Spandauers“ Lars Thiede in der 16. Partie! In den beiden Vorjahren gewann er jeweils die Goldme­daille am 5. Brett, aber das wird nun schwierig. Henrik Rudolf stellte gegen den in Deutschland lebenden Konstantin Landa gerade in dem Moment eine Figur ein, als er meinte, die Probleme gelöst zu haben. Landa sah sich indessen auch nach anderen Zügen im Vorteil. Insgesamt fiel das 1:5 angesichts der Partien von Thiede und Borriss zu hoch aus. Ein 2:4 gegen die von der Papierform übermäch­tigen Russen, die zum Favori­ten­kreis zählen, hätte dem Kampf­verlauf eher entsprochen.

Nach der allabend­lichen Partie­vor­führung in einer nahege­le­genen Taverne meinte ein Witzbold, dass wir in der dritten Runde bestimmt gegen Titel­ver­tei­diger Bosna Sarajevo (der überra­schend gegen St. Petersburg verloren hatte) gelost werden. Gelächter allent­halben. Aber genauso kam es! War schon Tomsk ein attrak­tiver Brocken, so ist der vierfache Europa­cup­sieger erst recht ein Traumlos. Die zu erwar­tenden Paaarungen lauten: Barejew-Polzin, Berndt-Schirow, I. Sokolov-Borriss, Poldauf-Kasimdshanow, Kir. Georgiew-Thiede, Kurajica-Rudolf.

Werder Bremen-NAO Paris 1,5-4,5 (McShane-Grischuk remis, Hracek-Swidler 0-1, Babula-Adams remis, Knaak-Vallejo 0-1, Joachim-Bacrot remis, Heissler-Fressinet 0-1), Lentrangaz St. Petersburg-Bosna Sarajevo 3,5-2,5, SK Belfast-Ladja Kasan 0-6, Nikel Norilsk-Corpora Martin 3,5-2,5, SF Neukölln-Tomsk 400 1-5 (Polzin-Khalifman remis, Berndt-Morose­witsch 0-1, Borriss-Kobalija remis, Poldauf-Bjelo­serow 0-1, Thiede-Filippow 0-1, Rudolf-Landa 0-1) , Kiseljak-Tbilisi 2,5-3,5, Polfa Grodzisk-Polonia Warschau 2,5-3,5, Clichy 92-Shlomo Tel Aviv 3,5-2,5, Beer Sheva-Barbican SK 4,5-1,5, Eynatten- Alkaloid Skopje 3-3, Zalae­gerszeg-Wesnjanka Minsk 2,5-3,5, Herakleion-Momot SK 2,5-3,5, Trinec SK-SK Glasinac 5,5-0,5, Hellir Reykjavik-Limhamns SK 2,5-3,5, Rochade Eupen-Skolernes Aarhus 2,5-3,5, Jyväskylä-Witebsk 4-2, SC Ankara-Sparkasse Gleisdorf 0,5-5,5, Drita Therandë-CRE Liege 2,5-3,5, Asker Schachhlub-Joensu SK 4,5-1,5, Kydon SC Chania-Austria Graz 4,5-1,5, Nidum Liberals-de Sprenger Echternach 2,5-3,5, Tscha­turanga Wien-Cardiff SK 3,5-2,5. spielfrei: Phibsboro SK

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